Donald Trump und die Ära der Politclowns

Warum viele Amerikaner „The Donald“ mögen: Sie haben – wie in anderen Ländern auch – ein Faible für politische Entertainer. Zugleich verkörpert Trump die Revolte gegen Berufspolitiker und den Kampf gegen Eliten.

Dass Donald Trump, der Immobilienmagnat und Reality-Show-Gastgeber, auch als „The Donald“ bekannt, der nächste Präsident der Vereinigten Staaten wird, ist unwahrscheinlich. Er ist laut, grob und weitgehend ungebildet. Und mit seinen aufgebauschten und übergekämmten blonden Haaren sieht er ziemlich absurd aus. Sogar überzeugte Republikaner haben ihn als „Rodeo-Clown“ und seine Kampagne als „Zirkus“ verspottet. In der Huffington Post wird über Trumps Wahlkampf demonstrativ nur im Unterhaltungsteil berichtet.

Und trotzdem lässt Trump im Kampf um die Nominierung des republikanischen Präsidentschaftskandidaten momentan alle seine Rivalen hinter sich. Sogar in der US-Politik, die sehr seltsam sein kann, ist dies außergewöhnlich. Wie lässt sich Trumps Beliebtheit erklären? Sind alle seine Unterstützer „Verrückte“, wie sich Senator John McCain, vielleicht etwas ungeschickt, ausgedrückt hat?

Trumps Kritiker behaupten, er ziele auf die niedersten Instinkte enttäuschter Wähler ab, die ausländerfeindlich sind (insbesondere gegenüber Mexikanern), misstrauisch gegenüber Bankern (oder eigentlich jedem mit einer höheren Ausbildung), und die immer noch darunter leiden, dass ein Mann mit einem schwarzen Vater zum Präsidenten gewählt wurde.

Nun, dies mag alles richtig sein. Aber Trump ist auch Teil eines größeren Phänomens, das sich durch die ganze demokratische Welt zieht. Enttäuschte Wähler gibt es überall, ob in den USA, in Europa oder in Indien. Aber sie wenden sich nicht nur von den großen politischen Parteien ab und folgen Populisten, die versprechen, die korrupten Eliten zu entmachten, sondern sie haben auch ein Faible für politische Entertainer, oder man könnte sagen, für Clowns.

Grillo, der Berufskomiker

Beppe Grillo, ein Berufskomiker, steht heute an der Spitze der zweitgrößten politischen Partei Italiens. Sein Ziel ist, das politische Establishment des Landes zu stürzen und die Europäische Union damit zu ärgern, dass Italien aus der Eurozone austritt.

In gewissem Sinn hat Italien natürlich bereits dreimal eine Clownfigur zum Ministerpräsidenten gewählt. Silvio Berlusconi, ein weiterer Immobilienmilliardär, der seine Karriere als Schlagersänger auf einem Kreuzfahrtschiff begann, war sogar noch schriller als Trump, aber ein Meister der Massenmedien – im wahrsten Sinn des Wortes, da die meisten davon ihm gehörten. Ebenso wie „The Donald“ mochten ihn die meisten, insbesondere die Männer, nicht trotz seiner hanebüchenen Aussagen und seines grellen Verhaltens, sondern gerade deswegen.

Ein Fernsehkomiker namens Víctor Trujillo, besser bekannt als „Brozo, der gruselige Clown“, wurde zum einflussreichsten politischen Kommentator von Mexiko. In den Niederlanden, die sonst nicht unbedingt für clowneske Politiker bekannt sind, wurde die populistische Welle von Pim Fortuyn angeführt, der provokative und immer sehr unterhaltsame öffentliche Auftritte hingelegt hat. Auch für ihn war sein Talent für schockierende Aussagen kein Hindernis, sondern ein Vorteil. Nach Fortuyns gewaltsamem Tod im Jahr 2002 war der hellste Stern am niederländischen Populistenfirmament Geert Wilders, ein ehemaliger Punk-Rocker mit platinblond gefärbtem Haarschopf.

Neben ihren merkwürdigen Frisuren (der unter Haarverlust leidende Berlusconi lässt sich seinen Kopf anmalen) haben die neuen Populisten noch weitere Dinge gemeinsam. Ob sie Milliardäre sind oder nicht: Sie eint eine intensive Feindschaft gegen die sogenannten Eliten, von denen sie sich sozial ausgeschlossen fühlen. Wilders, Trump und andere ihrer Art springen auch auf die allgemeine migrantenfeindliche Stimmung auf. Trump bezeichnet Mexikaner in den USA als Vergewaltiger. Wilders will den Koran verbieten und Muslimen die Einreise in sein Land verwehren. Aber auch dies ist Teil der Abneigung gegen die Eliten, die beschuldigt werden, Fremden die Einreise erst zu ermöglichen.

In Europa kann der Hass auf Einwanderer oder den Islam schnell in Feindschaft gegen die Europäische Union umschlagen, die als weitere Bastion fest verwurzelter Eliten gesehen wird. Dies haben Wilders und Grillo gemeinsam.

Aber ich glaube, dafür, dass die politischen Clowns so gut ankommen, gibt es noch einen einfacheren Grund. Viele Menschen haben genug von der Klasse der Berufspolitiker. In der Vergangenheit kamen Politiker der Linken oft aus den Gewerkschaften, während die Konservativen reiche Unternehmer oder Landbesitzer waren. Die sozialen Klassen hatten ihre eigenen Interessen, die jeweils durch Parteien mit klaren ideologischen Unterschieden vertreten wurden.

Heute allerdings sehen die Menschen immer weniger Unterschiede zwischen Politikern verschiedener Parteien. Sie werden unter Rubriken wie Washington, Brüssel oder Wall Street zusammengefasst.

Diese Wahrnehmung ist übertrieben, insbesondere in den USA. Unter einem republikanischen Präsidenten wäre das Land völlig anders, insbesondere bei einer republikanischen Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses.

Aber vielerorts ist es sicherlich wahr, dass die ideologischen Unterschiede weitgehend verschwunden sind. Sozialdemokraten regieren in Koalitionen mit gemäßigten Konservativen. Der Neoliberalismus dominiert. Die Politik scheint sich zunehmend in ein geschlossenes System zu verwandeln, innerhalb dessen die Mitglieder derselben politischen Klasse um Jobs konkurrieren – anstatt sich für die besten Ideen oder für umfassendere kollektive Interessen einzusetzen.

So gesehen ist der Trumpismus oder Grilloismus eine Revolte gegen die professionellen Politiker. Trump bemüht sich nicht nur gegen einen demokratischen Kandidaten um die Präsidentschaft, sondern tritt auch gegen das Establishment seiner eigenen Partei an. Seine Unterstützer sind empört über die Kompromisse, die in Washington zwischen führenden Republikanern und Demokraten eingegangen werden. Sie sehen parteiübergreifende Zusammenarbeit nicht als notwendig für die Regierung eines großen und vielfältigen Landes, sondern als eine Art von Korruption.

Stimmen für Tea Party

Deshalb haben sie bereits vor fünf Jahren für die Politiker der Tea Party gestimmt, die lieber einen Zusammenbruch der Regierung in Kauf nahmen, als einer Einigung mit den Demokraten zuzustimmen. Und deshalb jubeln sie einem angeberischen Großmaul wie Trump zu.

Aber ohne Kompromisse wird eine Demokratie unregierbar. Und vor dieser Gefahr stehen die USA momentan. Auch wenn Trump nicht der nächste Präsident wird, ist der populistische Schaden bereits entstanden.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff

Copyright: Project Syndicate www.project-syndicate.org

E-Mails an: debatte@diepresse.com

DER AUTOR

Ian Buruma (*1951 in Den Haag) studierte chinesische Literatur in Leiden und japanischen Film in Tokio. 2003 wurde er Professor für Demokratie und Menschenrechte am Bard College in New York, 2008 mit dem Erasmus-Preis ausgezeichnet. Zahlreiche Publikationen. Sein neues Buch „'45. Die Welt am Wendepunkt“ ist soeben auf Deutsch beim Hanser Verlag erschienen. [Internet]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.