Strache: Der Quotenkönig, bühnenreif in der Opferrolle

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Seit Jahren bedienen FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache und sein Vordenker, Herbert Kickl, konsequent ihre Zielgruppen. Dies macht sich nun bezahlt.

Jörg Haiders Langzeitrekord aus dem Jahr 1994 – 807.000 Zuseher – wurde bei den diesjährigen ORF-„Sommergesprächen“ gleich zweimal gebrochen. Frank Stronach unterhielt Anfang August 822.000 Menschen, bei Heinz-Christian Strache sah am Montagabend sogar eine knappe Million zu.

Doch anders als bei Stronach lässt sich das gesteigerte Interesse an Strache nicht mit der Vorliebe des Österreichers für leichtes Sommertheater erklären. Nein, die Quote zeigt, dass der FPÖ-Chef stärker denn je polarisiert. Wer nicht für Strache ist, hat Angst vor ihm bekommen, weil die FPÖ – insbesondere in Wien – deutlich in den Umfragen zugelegt hat. Kalt lässt er schon lange keinen mehr.

Den ohnehin mit einem gesunden Selbstbewusstsein gesegneten Strache scheint das weiter anzuspornen. Von seinem Hymnen-Patzer – er schrieb den Text einer „Frau Belakowitsch“ und nicht Paula Preradović zu – einmal abgesehen, hat man den FPÖ-Chef selten souveräner erlebt als Montagabend im ORF-Studio. Er war bestens vorbereitet und ließ keine Gelegenheit aus, seine Botschaften loszuwerden. Sogar die Aussagen im Beitrag über Straches Einflüsterer wirkten so, als folgten die Herren einem Drehbuch, das Generalsekretär Herbert Kickl geschrieben hat.

Opponieren aus Prinzip

Schon seit Jahren überlässt die FPÖ mit dem Vordenker Kickl und dem Verkäufer Strache nichts dem Zufall. Seit sie nicht mehr Haiders Launen unterworfen ist, ist keine Partei argumentativ stringenter, obwohl sie nach wie vor mit fragwürdigen Belegen arbeitet. Immer wieder setzt die FPÖ die gleichen Signale ab, während eine hohe Arbeitslosigkeit und die Flüchtlingsproblematik dafür sorgen, dass ihre Zielgruppe laufend größer wird.

Strache und Kickl haben das Opponieren wieder zum Prinzip erhoben. Sagt die Regierung A, antwortet die FPÖ mit Anti-A. Ein Durchgriffsrecht für den Bund bei der Flüchtlingsverteilung? Da werde „über die Gemeinden drübergefahren“, schimpft Strache und verlangt eine Volksabstimmung.

Das Thema ist wie geschaffen für ihn, von dieser Bühne aus kann er mehrere Gruppen emotional bedienen. Die Zuwanderungskritiker, die Asyl absichtlich oder aus Unwissenheit in denselben Topf werfen, hören heraus, dass Strache die Grenzen dichtmachen wird. Den Frustrierten bietet er Schuldige an – die Regierung, die Fremden oder alle zusammen – und verspricht ihnen mehr Mitspracherechte durch direkte Demokratie. Daneben kann er vielleicht noch ein paar verärgerte Bürgermeister abschöpfen. Dass Strache in der Asyldebatte – und nicht nur dort – keine Lösungen anzubieten hat, scheint seine Sympathisanten nicht weiter zu stören.

Feindbild USA

Auch der Antiamerikanismus ist längst FPÖ-Programm. Die Schuld an den Flüchtlingsströmen gibt Strache nicht dem IS, der in Syrien und dem Irak wütet, sondern den USA, die mit ihren Interventionen die Region verunsichert hätten. Da kann sich jeder, der das ähnlich sieht, dazudenken, was er möchte.

Und dann wäre da noch das Schauspieltalent des FPÖ-Chefs. In der Opferrolle ist Strache mittlerweile burgtheaterreif. Verdeckte Parteienfinanzierung in der FPÖ? Alles von der Konkurrenz erfunden und erlogen, um seine Partei auf dem Vormarsch zu stoppen. Es gibt keinen Politiker (von ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka vielleicht einmal abgesehen), der den Spieß ähnlich schnell umzudrehen vermag. Jeder Vorwurf wird mit einem Gegenvorwurf beantwortet. Nicht die FPÖ grenze Menschen aus, die anderen Parteien grenzten die FPÖ aus. Nicht Strache sei ein Hetzer, die anderen hetzten gegen ihn. Deshalb hätten auch die Morddrohungen gegen seine Person zugenommen.

Im Ton ist der FPÖ-Chef jedoch verbindlicher geworden, fast sanft für seine Verhältnisse. Das ist, nach zehn Jahren im Amt, keine Alterserscheinung, sondern Kalkül: Er will (mit)regieren. Im Burgenland ist ihm das gelungen, in Oberösterreich stehen die Chancen nicht schlecht. In Wien allerdings, wo Strache selbst kandidiert, wird es schwieriger. Zumal außer der ÖVP keiner mit ihm koalieren möchte. Und für Blau-Schwarz müsste die Volkspartei deutlich zulegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2015)

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