Apple braucht ein neues Wunder

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Am Mittwoch kommt das neue iPhone. Es ist heiß ersehnt, der Kult um Apple hat absurde Ausmaße angenommen. Aber was kann Apple noch liefern, um die Jünger zu unterhalten?

Wien/Cupertino. Der Science-Fiction-Autor L. Ron Hubbard hatte die Idee schon vor Jahrzehnten. Wer eine wirklich treue Anhängerschaft für seine Bücher will, der müsse einfach eine neue Religion erfinden, sagte er – und gründete die Scientology-Sekte, deren Jünger bis heute an eine abgedrehte Schöpfungsgeschichte glauben, in der Aliens die Hauptrolle spielen – und dem als Religion getarnten Erleuchtungspyramidenspiel das Geld hinterherwerfen.

Nun wäre es natürlich unfair, Apple mit Scientology zu vergleichen – immerhin bekommt man bei Apple für sein Geld mehr als nur Alien-Märchen. Aber die Mechanismen hinter dem Hype um die US-Computerfirma erinnern heute dennoch sehr stark an eine moderne Religion.

Nehmen wir das neueste iPhone, das am Mittwoch vorgestellt werden soll. Hunderte von Tweets, Facebook-Stati und Onlineartikel verlautbarten am Dienstag die Sensation: Das neue iPhone soll das dünnste iPhone bisher werden!

Wow, denken sich da die Ungläubigen. Was hätte es denn auch sonst sein sollen? Dicker und schwerer als sein Vorgänger? Aber die Ungläubigen verstehen nicht, dass es bei Apple längst um mehr geht als um die schnöde technische Innovation. Der Hype ist zum Selbstzweck geworden – und die Apple-Wunder werden wahr, weil die Jünger fest an sie glauben wollen. Klingt nach einem genialen Geschäftsmodell? Sicherlich.

Wohnzimmer-Großoffensive

Aber es hat einen Haken: Geschäftsführer und Ingenieure von Apple dürfen niemals den eigenen Hype glauben oder gar von Apples Unsterblichkeit ausgehen. Die Firma ist trotz des Hypesdazu verdammt, brauchbare Innovationen hervorzubringen – oder in alter Apple-Manier die Innovationen anderer aufzupolieren.

Und da ist das Problem: Apple baut bereits die coolsten (und teuersten) Computer sowie die coolsten (und teuersten) Laptops. Apple hat auch den Tablet-Markt zuerst erfunden – und dann gesättigt. Gleichzeitig wird das iPhone, Apples Flaggschiff, immer leistungsfähiger und größer – weshalb sich viele iPad-Besitzer schon fragen, wozu sie ein eigentlich ein iPad besitzen.

Wie schwer die Erfindung und Eroberung neuer Nischen geworden ist, zeigt das Beispiel von Apples Uhr. Zwar verraten die Amerikaner keine Verkaufszahlen zum klobigen Handgelenk-Display – aber der durchschlagende Erfolg des iPhone hat sich bei der Watch eindeutig nicht eingestellt.

Deswegen wird Apple sich nun wieder den großen Displays zuwenden – und startet am Mittwoch wohl eine Wohnzimmer-Großoffensive in Form einer neuen Version von Apple TV. Aber was ist da zu erwarten? Eine kleine, graue Box, die man an den Fernseher anschließen kann? Ob das für Schlangen von begeisterten Apple-Jüngern vor den Shops reichen kann, wenn Sony, Microsoft und Amazon längst ähnliche Produkte auf dem Markt haben? Nein, Apple müsste tatsächlich einen eigenen Fernseher erfinden. Denn nur wenn Hard- und Software aus der eigenen Hand stammen, kann die Firma ihre Magie entfalten.

Aktie gilt als unterbewertet

Das ist auch der Grund, warum es unter den Jüngern immer wieder Gerüchte über ein eigenes Apple Car gibt, als könne die Firma mit dem Apfel von Haus aus jede Branche durchrütteln, wenn man es sich nur fest genug vornimmt.

Aber Apple scheitert mit der Watch gerade an Breitling und Omega. Wie sollen es die Amerikaner dann mit Daimler oder Porsche aufnehmen können? Gar nicht. Der Versuch allein könnte ganz Apple in Gefahr bringen. Schwer zu glauben – aber Apple wäre schon einmal fast untergegangen.

Fürs Erste scheinen also alle Nischen besetzt zu sein, für die Apple Hard- und Software aus einer Hand liefern kann. Bleibt die Konzentration aufs Wesentliche. Macs, Macbooks, iPhones und iPads müssen in jeder Generation konkurrenzlos gut bleiben, um ihren hohen Preis zu rechtfertigen.

Die Basis ist derweil stabil: Apples iPhone verkauft sich gerade in China sehr gut. Die Firma sitzt auf rund 150 Mrd. Dollar an reinen Cash-Reserven. Und auch wenn das kaum zu glauben ist: Die Apple-Aktie gilt unter Analysten weiterhin als unterbewertet.

Aber die dunklen Wolken sind auch nicht zu übersehen: Die Watch ist ein Flop, das Bezahlservice Apple Pay fast unbekannt und Apple Music nur ein Dienst von vielen. Googles Android-Betriebssystem wächst derweil stark. Selbst Blackberry soll bald auf Googles Software setzen.

Für Panik ist es sicherlich zu früh – aber Apple wird langsam zum Opfer des eigenen Hypes. Und es braucht bald wieder ein Wunder, um die Jünger zu unterhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2015)

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