Mit Federn, Haut und Haar: Die Rechte und das Bildungsprekariat

Bildung ist das einzige Mittel, gegen diese altsteinzeitlichen Instinkte anzukämpfen.

Immer öfter finden sich Österreich und sein standortrelevantes Image im Ausland in Geiselhaft der neuen braunen Brut. Und der Bodensatz wird zur Flut, wie die Ereignisse der letzten Wochen, die Wahlerfolge der Rechtsparteien bei den Jungen und die menschenverachtende Jenseitigkeit ihrer Wahlkämpfe belegen. Gesellschaft und Politik schwanken zwischen Wegschauen, Ratlosigkeit und Mitschwimmen, schließlich will man ja auch ein paar dieser Stimmen einkassieren. Sinnlos, denn die neuen Rechten werden lieber zum Schmied als zur Fekter gehen. Aber was soll's, Rückgrat und entschiedenes Auftreten gegen Klaustrophobie und Xenophobie waren hierzulande noch nie die Stärken von Politik und Bürgerschaft, wohl auch, weil braune Kernüberzeugungen nach wie vor Teil des „gesunden Volksempfindens“ sind, quer durch alle Parteien.

Nein, ich hab mich nicht im Thema vergriffen, denn die dumpfe Pflege von Vorurteilen im Kreise Gleichgesinnter hat auf mehreren Ebenen viel mit Wissenschaft und der Biologie menschlichen Verhaltens zu tun. Einerseits rekrutieren sich die jungen Rechten vorwiegend aus bildungsarmen Schichten, andererseits bietet im Moment nur die extreme Rechte Sozialisierungsmöglichkeiten, die offenbar besonders junge Männer ansprechen. Und zwar besonders solche, denen in Familie und Bildungseinrichtungen jene Hirnteile nicht genügend ausgebildet wurden, die für logisches Denken und soziale Verantwortlichkeit zuständig sind, und die damit zu willfährigen Opfern ihrer in tieferen Hirnteilen angesiedelten Gruppen- und Konformismusinstinkte werden.

Internationalisierung im Schoß der EU trägt dazu bei, diese Instinkte zu fördern. Bildung und Enkulturation sind die einzigen Mittel, gegen diese altsteinzeitlichen Instinkte anzukämpfen. Aber gerade die Bildung entwickelte sich hierzulande eher zum elitären Statussymbol als zum gemeinsamen Markenzeichen einer aufgeklärten Bürgergesellschaft.


Das Grundübel liegt wohl in der traditionellen Geringschätzung des Geistes. Gegenreformatorischer Autoritätsglaube sticht immer noch Kritikfähigkeit; dass Franz Joseph, nicht aber der aufgeklärte Johann Österreich über weite Teile des 19.Jahrhunderts lenkte, hängt uns heute immer noch nach. Beide (ehemaligen) Großparteien tun sich mit ihrem Verhältnis zum Geist schwer; während bei den Roten Wissenschaft immer für etwas gut sein muss, rekrutiert sich das bürgerliche Selbstverständnis der braven Schwarzen aus Wirtschaften, Beten und Kuschen. Die vielen Inseln des Geistes hierzulande mögen mir meine Polemik verzeihen, sie sind nicht gemeint. Viel zu spät und zu zaghaft dringt die Botschaft einer breiten Bildung für alle als Wert an sich durch. Eliteorientierung und eine falsche Auslese im Bildungssystem produzieren immer noch Analphabeten, Schulabbrecher, Sozialhilfeempfänger und (massenweise) Rechtswähler.

Vielen scheint dieser Zusammenhang nicht bewusst, egal oder sogar willkommen, könnte man meinen, angesichts viertelherziger Schulreformen und halbherziger Investitionsbereitschaft in die Wissenschaft. Arg, denn Rechtsextreme bekämpft man nur mit Bildung für alle.

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2009)

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