Die Industrie brummt in Oberösterreich, aber die Zeit steht nicht still

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THEMENBILD: WAHLEN IN OBER�STERREICH / L�NDERPORTR�T: LINZER BECKEN(c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
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Die geografische Lage nützt Oberösterreich, aber das Land ist überaltert – und der universitäre Sektor zu klein.

Wien. Manchmal führen auch die harten Zahlen in die Irre. Ja, in Oberösterreich arbeiten immer mehr Menschen im Dienstleistungssektor – und tendenziell weniger im produzierenden Bereich. Ist das Industrieland Oberösterreich also in Auflösung? Nein, sagt Wifo-Ökonom Peter Mayerhofer. Die Zahlen erzählen nämlich eine andere Geschichte, als es auf den ersten Blick scheint.

„Die Industrie ist und bleibt der Kern. Aber Industrie verändert sich. Die neue Industrie ist in Wahrheit eine Verschmelzung aus Produktion und hochwertigen Dienstleistungen“, so Mayerhofer, der das Bundesland Oberösterreich in einer Studie mit 57 anderen Industrieregionen verglichen hat. Und da steht das Land gut da.

Die Wirtschaftsleistung pro Kopf liegt in Oberösterreich etwa 15 Prozent über dem Durchschnitt für vergleichbare Industrieregionen in Europa. Wobei in diesem Fall natürlich zu beachten ist, dass viele dieser Regionen im (noch) strukturschwachen Osten liegen – etwa in Rumänien. Aber auch mit dem Ruhrpott oder den französischen Regionen kann Oberösterreich locker mithalten.

Die Voest und KTM sind dabei nur die weit sichtbaren Spitzen des Standortes. Die vielen, vielen Zulieferbetriebe Oberösterreichs sind in der Bevölkerung weniger bekannt – aber genauso wichtig. Immerhin sind fast 80 Prozent der Betriebe in Oberösterreich kleinere Firmen mit maximal neun Mitarbeitern.

(c) Die Presse

Acht Mrd. Euro Handelsüberschuss

„Auch bei den Innovationen und der Forschungsorientierung liegt Oberösterreich im Vergleich der Regionen im vorderen Drittel“, sagt Mayerhofer. Vor allem die Forschungsarbeit der Unternehmen sei in Oberösterreich besonders stark. „Die öffentliche F+E-Quote (Forschung und Entwicklung; Anm.) ist eher unterdurchschnittlich, aber es fehlt nicht etwa an Förderungen. Oberösterreich betreibt alles, was an regionaler Wirtschaftsförderung gängig ist.“ Einzig: Die Uni-Standorte sind bisher nicht leistungsfähig und groß genug, um die staatliche Forschungsarbeit in Linz zu pushen.

Die aktuellen Zahlen sind dennoch weiterhin gut. Die Arbeitslosigkeit in Oberösterreich ist seit Jahren eine der niedrigsten der Republik (siehe Grafik). Und während Österreich ein kleines Handelsbilanzdefizit hat, darf Oberösterreich sich über einen satten Überschuss von rund acht Mrd. Euro pro Jahr freuen. Ein wichtiger Faktor ist und bleibt die geografische Lage – vor allem die Nähe zu Süddeutschland. „Das darf man nicht unterschätzen“, so Mayerhofer: „Süddeutschland ist seit Jahren der wichtigste Treiber der Industriekonjunktur in Europa.“

Aber bei aller Freude über die relativ gute aktuelle Situation – sowohl im Vergleich mit Europa als auch im Vergleich mit anderen Bundesländern: „Die Position ist nicht gesichert. Die Schwellenländer holen auf. Ebenso die neuen Mitgliedstaaten der EU. Die Produktivität ist der Kern. Da muss etwas getan werden“, so Mayerhofer.

Drei Lücken sind zu füllen

Die größte mittelfristige Herausforderung sei demografischer Natur. Es braucht immer mehr hoch qualifizierte Menschen, um die es längst einen internationalen Wettbewerb gibt. „Gleichzeitig schrumpft aber der Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung – die Gesellschaft überaltert.“ Mit Bildungspolitik allein ist diese Herausforderung also nicht zu stemmen – eher mit einer kinderfreundlichen Familienpolitik und gezielter Zuwanderung. Denn: „Die Kohorte der 15-Jährigen – also derer, die eine Lehre anfangen – wird in den nächsten Jahren um acht Prozent zurückgehen“, sagt Wifo-Experte Mayerhofer.

Und: Gerade weil Oberösterreichs Industrie immer moderner und wissensintensiver wird, mangelt es an Jobs für die weniger qualifizierten Menschen. „Da ist die Arbeitslosenquote relativ hoch“, so Mayerhofer. Oberösterreich hat also drei Lücken zu füllen: Das Land braucht junge Menschen für die Ausbildung zu Fachkräften. Es braucht Studienplätze und Akademiker. Und es braucht Jobs – oder Ausbildungsangebote – für die gering qualifizierten Menschen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2015)

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