Den Graben zwischen Generationen überbrücken

Seniorin am Computer
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Pädagogik. Wie lassen sich älteren Menschen neue Technologien gut vermitteln? Das untersuchten Forscher in einem EU-Projekt, in dem Senioren auch geschult wurden. Dabei zeigte sich: Auch Ältere mögen keine Hausübungen.

Durch Europa zieht sich eine Kluft. Sie teilt die Menschen in diejenigen, die mit digitalen Medien vertraut sind und solchen, die es nicht sind: Meist sind Zweitere über 50 Jahre alt und gelangen so weniger leicht an Informationen. „In der EU haben 2011 etwa 65 Prozent der Älteren das Internet noch nie genutzt, bei den Jüngeren liegt der Wert bei etwa fünf Prozent“, sagt Vera Gallistl vom Institut für Soziologie der Uni Wien. Dort wollen die Wissenschaftler in einem europäischen Forschungsprojekt zugleich dazu beitragen, den digitalen Graben zu überbrücken: Sie begleiten die Einführung einer Software, die Ältere insbesondere mit mobilen Technologien wie Handy oder Tablet vertraut machen soll.

Der Projektname UISEL steht für Ubiquitous Information for Senior's Life, Informationen sollen also auch für Senioren allgegenwärtig verfügbar sein. „Ziel war es, ein pädagogisches Modell zu entwickeln, mit dem ältere Menschen lernen, mit neuen Technologien umzugehen“, sagt Gallistl. Neben Österreich sind Spanien, Rumänien, Tschechien, die Slowakei, Italien und Portugal beteiligt.

Zugang als Flaschenhals

Zunächst wurden Experten, etwa aus der Erwachsenenbildung dazu befragt, was Ältere an der Anwendung hindert. Dabei zeigte sich, dass der Zugang zur Technik noch immer einen Flaschenhals bildet: Vor allem in Rumänien, Tschechien oder der Slowakei galten die Geräte als oft nicht leistbar, mitunter war WLAN schlichtweg noch nicht verfügbar. „Man würde die Technologien gern nutzen, wenn man die Möglichkeit hätte“, fasst Dissertantin Anna Wanka zusammen.

In Österreich, Spanien und Portugal fehlten wiederum eher die Kompetenzen. „Die Technikeinstellung war eher zögerlich bis ablehnend“, so Wanka. „Hier wollte man nicht, obwohl es die Möglichkeit gab.“

Das änderte sich allerdings in den angebotenen Kursen: Von Mai bis Juli besuchten Senioren vier Wochen lang speziell auf sie zugeschnittene Schulungen. Dafür wurden eigens Tablets angeschafft und verborgt. Vermittelt wurden neben Basiskenntnissen auch Themen wie E-Health oder E-Banking. Letzteres lehnten die meisten aber ab: „Das wird als zu unsicher eingestuft“, sagen die Forscherinnen.

Weiters gab es zwei speziell für Senioren entwickelte Apps mit Anleitungen: eine, die die notwendigen Schritte vom ersten Auspacken bis etwa zum Skypen mit der Tochter vermittelt, und eine weitere, mit der sich die Bedienung des Touchscreens spielerisch lernen lässt. Hier gäbe es oft Berührungsängste: Wie ziehe ich etwas auseinander, wie stark soll ich drücken?

Gelernt wurde gemeinsam mit einem Trainer, in der Gruppe mit der Familie oder anderen Kursteilnehmern oder daheim. Dabei zeigte sich, dass die Einheiten, bei denen die Teilnehmer selbstständig üben sollten, weniger gut angenommen wurden. Das überraschte die Forscher. In der Literatur zur Bildung im Alter würde stark auf selbstorganisiertes Lernen gesetzt. Dort ginge man eher davon aus, dass Ältere wissen, wie man sich Lernstoff aneignet und Frontalunterricht weniger schätzen. Fakt ist aber: „Die Hausübungen funktionierten nicht.“

90 Prozent wollen dranbleiben

Insgesamt zeigte sich, dass bei Grundkompetenzen basaler angesetzt werden muss: Rund ein Drittel fühlte sich laut anschließender Befragung – übrigens noch mit Fragebogen auf Papier – im Kurs überfordert. Der Anteil derer, die neugierig auf technische Geräte sind, stieg aber. Mehr als 90 Prozent wollen nach dem Kurs weiter ein Tablet nutzen. Aufgrund des großen Interesses werden die Kurse an den beteiligten Einrichtungen auch nach Projektende fortgesetzt. (gral)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2015)

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