Essen gehört nicht in den Müll

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Abfall. Ein EU-Projekt mit Boku-Beteiligung will die Lebensmittelverschwendung in Europa bis 2025 um 30 Prozent reduzieren.

In Afrika verhungern die Kinder, und bei uns landet Essen im Müll.“ Diese Beobachtung scheint für viele Menschen unerträglich. Auch wenn die Zahl der weltweit Hungernden abgenommen hat, das Problem bleibt akut. Denn gerade aus der Tatsache, dass sich mehr Menschen denn je ausreichend Essen leisten können, folgt eine erhöhte landwirtschaftliche Produktion. Und damit mehr Ressourcenverbrauch. Umso ärgerlicher ist jede Verschwendung.

Forscher der Boku haben 29 österreichische Küchenbetriebe untersucht und festgestellt, dass bis zu 45 Prozent des ausgegebenen Essens im Müll landen. Auf das ganze Land hochgerechnet wird jährlich Nahrung im Wert von 380 Millionen Euro vernichtet.

Silvia Scherhaufer vom Institut für Abfallwirtschaft an der Boku ist am wissenschaftlichen Kampf gegen die Lebensmittelvergeudung beteiligt. Als Projektleiterin betreut sie den österreichischen Beitrag des EU-Forschungsprojekts Refresh. „Das Projekt will auch Unternehmen, Haushalte und öffentliche Institutionen ansprechen“, so Scherhaufer. Neben der Reduktion von Lebensmittelabfällen wolle man eine bessere Verwertung oder gar Wertsteigerung unvermeidbaren Mülls erreichen.

Als Erstes muss klar sein, an welchen Stellen der Versorgungskette Essen verschüttgeht. Die Forscher haben 286 solcher Löcher im System identifiziert, die auf das Konto von 105 Ursachen gehen. Das reicht von Mähdreschern, die Körner auf dem Feld liegen lassen, über Pilzbefall im Großhandelslager oder die falsche Tellergröße in Catering-Betrieben bis hin zu Konsumenten, die Produkte nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums nicht mehr anrühren.

Überhaupt die Privathaushalte: Schätzungen zufolge gehen von den 100 Millionen Tonnen Lebensmitteln, die EU-weit jährlich verschwendet werden, 45 Prozent auf das Konto der Konsumenten.

Mit jedem trockenen Brot, das wir in den Mistkübel hauen, verschwenden wir auch den entsprechenden Anteil an Saatgut, Dünge- und Spritzmittel, Diesel für Traktor und Mähdrescher, Transportenergie, Strom für Teigmaschine und Backofen. Auch das Geld des Konsumenten und das Papier, in das das Brot eingewickelt war: alles für die Katz. Und Bio-Konsumenten müssen sich hier nicht zurücklehnen: Wegen geringerer Erträge beansprucht ein Bio-Bauer mehr Ackerfläche, um dieselbe Menge an Brotgetreide zu produzieren wie ein konventioneller.

Tipps für den Haushalt

Abfall-Forscherin Scherhaufer und alle 26 Partner aus europäischen Ländern und China sowie der UN wollen bis zum Ende des Projekts im Juni 2019 Ergebnisse liefern, um den unnötigen Verlust von Nahrung einzudämmen. Gleichzeitig gibt sie zu: „Insbesondere als Mutter einer kleinen Tochter ist die Vermeidung von Lebensmittelabfällen oftmals schwierig.“ Dennoch habe sie im eigenen Haushalt durch ein paar simple Maßnahmen bereits eine Reduktion erreicht.

Dazu gehören: Abbestellen von Werbematerial im Postkasten, um der Kaufversuchung durch Lockangebote zu widerstehen; einkaufen eher nach Bedarf und nicht auf Vorrat; Aufklärung der Familienmitglieder darüber, dass Speisen auch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums noch genießbar sein können, und eine verbesserte Lagerung, z. B. Äpfel getrennt vom restlichen Obst. „Außerdem bin ich eine gute Resteverwerterin und nehme mir für die Mittagspause in der Arbeit die Reste vom Vortag mit oder koche ein neues Gericht aus übrigen Lebensmitteln.“

IN ZAHLEN

45 Prozent des in Küchenbetrieben (Gastronomie, Beherbergung, Gemeinschaftsküchen) ausgegebenen Essens landen im Müll.

100 Millionen Tonnen Essen werden jährlich EU-weit verschwendet,davon gehen 45 Prozent auf Privathaushalte.

380 Millionen Euro ist der Wert der Nahrungsmittel, die jährlich in Österreichs Küchenbetrieben im Abfall landen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2015)

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