Rechtsanwaltsmarkt: Alles dreht sich, alles bewegt sich

Die Presse
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Viel Bewegung gibt es derzeit in der österreichischen Anwaltsszene, die doch gerne als beständig und konservativ gilt. Ein Überblick über die aktuellen Verbindungen, Trennungen und Expansionen.

Gerne sehen Anwälte ihren Namen in der Zeitung, wenn er im Zusammenhang mit großen Causen genannt wird. Weniger begeistert reagieren sie, wenn ihr Unternehmen selbst und ihre eigene Position in dem selben im Fokus steht. Über Zwist und Trennungen redet man eben nicht so gerne. Doch derzeit gibt es in der österreichischen Anwaltsszene eine Häufung an Rochaden, die nicht übergangen werden können. Während sich die Kanzlei Kunz Schima Wallentin mit fünf neuen Partnern einer Verjüngungskur unterzogen hat, wird sich Rechtsanwalt Christoph Leon nach 16 gemeinsamen Jahren von seinen Partnern Peter Polak und Rudolf Fiebinger trennen. Auch die Prozessrechtsanwältin Bettina Knötzl hat turbulente Zeiten hinter und wohl noch vor sich. Räumlich ist die Trennung von ihrer Stammkanzlei Wolf Theiss vollzogen. Dieser Tage hat sie mit großem Team ihre eigene Kanzlei „Knoetzl“ eröffnet.

Kunz Schima Wallentin verjüngt sich (endlich)

Erweiterung. Seit 1. Jänner 2016 gibt es fünf neue Partner.

Wien. Es hat lange gedauert, um genau zu sein 12 Jahre, bis sich die Partner der Kanzlei Kunz Schima Wallentin (KSW) dazu durchgerungen haben, neue Partner zu ernennen. Dafür sind es jetzt gleich fünf, die mit 1. Jänner 2016 in die Riege der Equities aufgenommen wurden: Die Arbeitsrechtlerin Katharina Körber-Risak, Daniel Liemberger (Gesellschaftsrecht und M&A) und die Banken-und Kapitalmarktrechtsspezialisten Gert Wallisch, Wolfgang Sindelar und Thomas Seeber. Sie alle sorgen für die längst fällige Verjüngungskur der Sozietät. Während das Durchschnittsalter der Seniorpartner 57 Jahre beträgt, liegt das der neuen gut 20 Jahre darunter bei 37 Jahren.

Erwartungen sind hoch. Und die aktuelle Veränderung soll der Kanzlei nicht nur neue Ideen, sondern auch eine beweglichere Entscheidungsstruktur und unkompliziertere Abläufe als bisher bescheren: „Nicht jede anstehende Entscheidung kann ein 10-köpfiges Gremium durchlaufen“, sagt Gründungspartner Georg Schima. „Vielmehr müssen unterschiedliche Leute für unterschiedliche Themen zuständig sein. Es funktioniert auf Dauer nicht, wenn jeder überall seinen Senf dazu gibt.“ Bei der Auslese der neuen Partner habe ein Mix aus fachlicher Expertise, dem Potenzial, Umsatz zu generieren und der Fähigkeit, sich in den KSW-Organismus aktiv einzubringen, eine Rolle gespielt.

Neben guter Arbeit sollen die jungen Partner klarer Weise für Neugeschäft sorgen. Der Weg dahin? Die Kanzlei will sich breiter als bisher aufstellen. Allen voran sollen jene Fachgebiete, für deren Expertise KSW schon bisher am Markt bekannt war, noch weiter ausgebaut werden. Körber-Risak wird das für den Bereich Arbeitsrecht bewerkstelligen. Schon in den vergangenen Jahren hat sich die Anwältin mit prominenten Mandaten (sie vertrat etwa den entlassenen Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann) einen Namen gemacht hat. Noch stärker als bisher wollen sich auch Wallisch, Sindelar und Seeber auf Banken- und Kapitalmarktrecht fokussieren. Das bisher schon recht große Litigation-Team wird mit Wallisch ebenfalls erweitert und sich – wie Schima sagt – auf „hochkarätige Prozessführung“ konzentrieren.

Bettina Knötzl ist nun ihr eigener Boss

Bettina Knötzl (Mitte), Florian Haugeneder (r.) und Patrizia Netal (l.) sind die Gesellschafter der neuen Kanzlei.
Bettina Knötzl (Mitte), Florian Haugeneder (r.) und Patrizia Netal (l.) sind die Gesellschafter der neuen Kanzlei. Die Presse (Clemens Fabry)

Neugründung. Auf Dispute Resolution liegt der Fokus ihrer Boutique.Vor wenigen Wochen wurde offiziell, was in der Anwaltsszene schon längst kein Geheimnis mehr war. Jene Partnerin, die bei der Wirtschaftskanzlei Wolf Theiss viele Jahre lang als Aushängeschild für Dispute Resolution stand, verlässt ihre Stammkanzlei nach 23-jähriger Zusammenarbeit.
Eine Erholungspause hat Bettina Knötzl in den vergangenen Wochen jedenfalls nicht eingelegt. Im Gegenteil. Dieser Tage eröffnete sie gemeinsam mit weiteren Partnern, darunter ihr Wolf Theiss Kollege, Schiedsrechtsexperte Florian Haugeneder, und Anwältin Patrizia Netal sowie zehn weiteren Juristen die neue Kanzlei Knoetzl Haugeneder Netal. Sie versteht sich als Dispute-Resolution-Boutique. Das heißt, im Wesentlichen werden sich die Anwälte ausschließlich auf die Bereiche Schiedsgerichtsbarkeit, gerichtliche Streitbeilegung, Compliance, Wirtschaftsstrafrecht und Management bei Unternehmenskrisen konzentrieren.

Wachsen ist programmiert. Ein Modell, das es am österreichischen Anwaltsmarkt in der Form noch nicht gibt, aber stark nachgefragt sei, glaubt Knötzl fest. „Keine Frage. Für Österreich sind wir gut“, sagt sie selbstbewusst. „Wir schaffen hier mit Sicherheit Arbeitsplätze und bringen Geschäft her, das es sonst nicht geben würde. Wir nehmen niemandem etwas weg.“
Dass ihr Business-Plan aufgeht, daran hat sie keine Zweifel, vielmehr beschäftigt sie bereits die Frage, wie schnell die Kanzlei wachsen wird. Wobei Wachstum nur mit den richtigen Partnern funktionieren könne, sagt Knötzl aus Erfahrung. Und was bedeutet in diesem Zusammenhang „richtig“? Bei der Auswahl gelte ein Prinzip: „Wir wollen nur Leute, die fachlich absolute Spitzenklasse sind und uns vom Wesen und ihrer Art auch wirklich entsprechen.“

Von der Sehnsucht, klein zu werden

Trennung. Leon beendet „wunderbare Zusammenarbeit“

Wien. Die gemeinsamen 16 Jahre an der Seite seiner Partner Peter Polak und Rudolf Fiebinger seien wunderbar gewesen. Er sei stolz über alles, was sie gemeinsam aufgebaut haben, sagt Christoph Leon zu Beginn des Gesprächs mit der „Presse“. Und die beiden Genannten, die neben ihm sitzen, nicken. Wie friedlich die Trennung abgelaufen sei, zeige sich daran, dass man schon vor Weihnachten eine Trennungsvereinbarung unterschrieben hätte, ganz ohne Streit. Ein Schiedgerichtsverfahren, zu dem es bei vielen Kanzleien im Zuge des Ausscheidens von Partnern käme, werde es bei ihnen definitiv nicht geben. Doch weshalb will Leon denn künftig seinen Weg alleine gehen, wenn doch die Zusammenarbeit so beglückend und reibungsfrei war? Nun, das habe ausschließlich mit seiner Lebensplanung zu tun, sagt er. „Ich bin drauf gekommen, dass ich noch etwas anderes in meinem Leben will“, sagt Leon. „Mir entspricht es nun mehr, Alleinverantwortung für ein kleineres, persönlich geführtes als Mitverantwortung für ein großes Unternehmen zu haben.“
Deshalb werde er sich der kleineren Kanzlei Stapf Neuhauser als Kooperationspartner anschließen. Eine Lösung, die Leon ideal erscheint. Mit dem Insolvenzrechtsexperten Christof Stapf verbinde ihn eine jahrelange Freundschaft.


„Auch andere schrumpfen.“ Und wie geht es bei der Kanzlei Fiebinger Polak weiter, die auch 2015 zahlreiche Juristen verloren hat? „Auch wir bleiben von der generellen Marktentwicklung nicht verschont. Anwaltskanzleien schrumpfen, das trifft auch andere“, sagt Fiebinger. Ein weiterer Grund sei, dass junge Anwälte in dem veränderten Marktumfeld rasch die Geduld verlören, sie glaubten, alleine schneller voran zu kommen. „Natürlich hätten wir manchen guten gerne gehalten, aber es ist nicht um jeden Juristen schade“, so Fiebinger.
Für beide, Fiebinger wie Polak, stehe fest, dass sie auch in Zukunft Partner bleiben werden: „Wir werden gemeinsam in Pension gehen“, sagt Polak. Auch wachsen wolle man wieder, denn man gehe ja unter in Arbeit: „Aber erst dann, wenn wir jemanden finden, der gut ist. Wir werden bei der Suche sehr sorgfältig sein“, so Fiebinger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2016)

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