Eine scheinheilige Debatte

Bayern München, Dortmund und Frankfurt stehen in Deutschland nach der Auswahl ihrer Trainingslager in der Kritik. Es ist eine scheinheilige Debatte über Menschenrechte, Moral und Geld

Deutschlands Spitzenfußball muss sich gar nicht im Ligabetrieb befinden und macht trotzdem Schlagzeilen. Die Diskussionen drehen sich jedoch nicht um Transfers zwischen Erzrivalen, Tore oder Abseits, sondern um die Auswahl der Trainingslager. Alle Jahre wieder gibt es die gleiche Debatte.

Bayern übte in Katar, Dortmund verschlug es nach Dubai, Frankfurt nach Abu Dhabi, und die drei Klubs sollten sich nun in der Heimat für ihre Reiseziele rechtfertigen. Aber muss bzw. soll sich ein Vertreter des FC Bayern zu politischen Themen äußern?

„Wir machen hier ja keine Werbung für ein Regime“, sagt BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Heutzutage könne ein Verein kaum noch eine richtige Wahl treffen. „Wenn wir nur in Destinationen gehen, in denen Menschenrechte zu 100 Prozent erfüllt sind, sind wir auf der Welt irgendwann allein.“ Es könne niemand erwarten, „dass wir keine Kontakte mehr mit Regierungen pflegen, die in irgendeiner Weise unseren Wertvorstellungen nicht entsprechen“, sagt er dem „Spiegel“. „Wir machen ein Trainingslager – sonst gar nichts.“

Besorgt zu Wort gemeldet hat sich Willi Lemke, früher Macher bei Werder Bremen und jetzt Sonderberater Sport des UN-Generalsekretärs. Er wünscht sich mehr Initiative von den Vereinen. „Man sollte sich vor Ort über die Situation kundig machen, Stellung beziehen für die Rechte der Arbeitsmigranten in Katar. Es geht darum, ein differenziertes Bild zu gewinnen. Die Realität nicht auszublenden, verantwortliche Politiker spüren lassen, dass wir in Europa an der Situation der Arbeiter sehr wohl interessiert sind. Den Profis selbst sind die Hände gebunden. Wer soll sich schon kritisch gegenüber seinem Arbeitgeber äußern?“

Philipp Lahm, Bayerns Kapitän, hat vor Beginn der Reise nach Doha zumindest einen nachdenklichen Einblick gegeben. „Man muss mit offenen Augen durchs Leben gehen. Ist es besser, hierher zu kommen, und dann wird darüber gesprochen? Oder ist es besser, zu Hause zu bleiben? Es gibt immer verschiedene Meinungen.“ Seinem Arbeitgeber passt Kritik generell nicht, an der Wahl des Trainingslagers schon gar nicht. „Keine politischen Äußerungen“, hat Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge bestimmt. Begründung: „Wir sind Sportler.“

Am 22. Jänner starten die Bayern die Rückrunde gegen den HSV. Dann interessieren nur noch Tore, Abseits, Rote Karten – bis zur nächsten Winterpause, dem nächsten Trainingslager. Bis dahin machen zehn Millionen Menschen Urlaub in Dubai, verdienen globale Konzerne am persischen Golf. Zudem, alle drei Emirate treten in Europas Fußball seit Jahren als willkommene Großsponsoren auf mit ihren jeweiligen Fluglinien. Es ist eine scheinheilige Debatte.

wolfgang.wiederstein@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2016)

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