Thermografie: Verräterische Temperaturunterschiede

Mit einer speziellen Kameratechnik lassen sich wärmetechnische Schwachstellen eines Hauses aufspüren. Dabei sollte man allerdings auf die Expertise eines Fachmanns zurückgreifen.

Um ein paar Hundert Euro gibt es in Elektronikmärkten Wärmebildkameras. Viel mehr als schöne bunte Bilder liefern sie in der Praxis allerdings nicht. Profis setzen deshalb Aufnahmegeräte ein, die mehr als das Fünfzigfache dieser Billigtechnik kosten und eine wesentlich höhere Auflösung bieten. Und selbst solche Kameras reichen oft nicht aus, um aussagekräftige Aufnahmen zur Beurteilung der wärmetechnischen Schwächen eines Bauwerks zu erhalten. Eine gute Ausbildung im Umgang mit der Technik und vor allem Wissen und Erfahrung bei der Auswertung der Bilder sind nach Meinung von Experten unbedingt erforderlich, um seriöse Urteile zu fällen.

Keine einfachen Schlussfolgerungen

Die Thermografie-Kamera macht nämlich nichts anderes, als Temperaturen in unterschiedlichen Farben abzubilden. Ein Fenster etwa wird sich auf jeder Thermografie-Aufnahme durch eine höhere Temperatur von der kühlen Fassade abheben. Kräftige rote Farben in diesem Bereich sind aber noch lange kein Hinweis, dass die Wärmeverluste übermäßig groß und die Fenster zu tauschen wären. „So eine einfache Schlussfolgerung ist blanker Unsinn“, meint Stefan Filzwieser, Bausachverständiger und Experte für Infrarot-Thermografie. Sein Rat: „Man macht die Aufnahme des Fensters am besten von innen, da die Temperaturunterschiede so viel besser erkennbar sind.“ Außerdem sollten zwischen innen und außen möglichst große Temperaturunterschiede sein, die Kamera eine entsprechend hohe Auflösung haben und sich im richtigen Abstand zum Objekt befinden. Erst wenn alle Kriterien stimmten, ließe sich aufgrund von Erfahrungswerten sagen, ob Handlungsbedarf bestehe.

Ideal ist die Thermografie aber nicht nur zum Aufspüren wärmetechnischer Schwachstellen vor einer Sanierung – mit ihr lässt sich auch die Qualität der durchgeführten Bauarbeiten überprüfen, erläutert Filzwieser: „Man sieht auf einer Infrarotaufnahme ganz genau, ob die Dämmplatten sachgerecht verfugt oder die Fensteranschlüsse richtig ausgeführt sind.“

Auch im Inneren eines Hauses lassen sich Mängel mittels Infrarot-Thermografie schnell entdecken. Ob die Leitungen der Fußbodenheizung im richtigen Abstand verlegt oder die Heizkreise richtig temperiert sind, ist auf einem Wärmebild selbst für den Laien erkennbar. Anlass für solche Aufnahmen ist oft ein Unbehagen, etwa weil es in manchen Bereichen der Wohnung ständig kühler ist oder unangenehme Luftzirkulationen zu spüren sind.

Schimmel auf der Spur

Bei Schimmelbildung im Haus kann die Thermografie Hinweise liefern, ob etwa Baumängel wie Wärmebrücken oder schlecht eingebaute Fenster die Ursache sind. Ebenfalls feststellen lässt sich, ob aufsteigende Feuchtigkeit eine Rolle spielt: „In einem solchen Fall zeigen sich größere dunkle Stellen, weil Feuchtigkeitsflecken kühler sind“, sagt Karl Eschberger von Öko-Energy-Eschberger. Manchmal helfen bei Schimmelproblemen aber auch einfachere Mittel, um die Wurzel des Übels aufzuspüren, meint er: „Wir haben immer ein Hygrometer mit, um die Luftfeuchtigkeit zu messen, und weisen dann auf richtiges Lüften hin.“ Ergänzend zur Thermografie wird vor allem bei Niedrigenergie- und Passivhäusern immer öfter das Blowerdoor-Verfahren eingesetzt. Dabei erzeugt man mittels Ventilator einen Unterdruck im Gebäude. Mit dem Wärmebild lässt sich dann genau feststellen, wo Luft hineinströmt und zu Energieverlusten führt: „Die einströmende kühle Luft ist am Infrarotbild deutlich als dunkle Fahne zu erkennen“, erzählt Karl Eschberger, der solche Prüfungen vornimmt. Oft sind Elektro- oder Sanitärleitungen Ursache für solche Undichtheiten. Einfache, aber wirksame Abhilfe lässt sich in solchen Fällen meist durch simple Maßnahmen wie Silikonschaum oder Klebeband schaffen. Ob die Dampfbremse der Dämmkonstruktion beschädigt ist, kann mit der Kombination von Blowerdoor-Test und Infrarot-Thermografie ebenfalls schnell festgestellt werden.

Peter Kautsch, Leiter des Institutes für Hochbau an der TU Graz, lobt die Thermografie ebenfalls als ein sehr praktikables Messsystem. Er weist allerdings darauf hin, dass nur ein Fachmann Schlussfolgerungen für Sanierungsmaßnahmen treffen könne: „Das Bild selbst liefert nur eine Aussage, wo mehr und wo weniger Energie fließt.“

Info

Die Thermografie macht Infrarotstrahlung sichtbar. Damit lassen sich die Temperaturen von Oberflächen exakt darstellen und Rückschlüsse auf wärmetechnische Schwachstellen eines Gebäudes ziehen. Voraussetzung hierfür sind allerdings eine Kamera mit hoher Auflösung sowie Erfahrung im Umgang mit der Technik und der Interpretation der gewonnenen Bilder.
Qualifizierte Thermografie-Experten sind auf der Homepage der Österreichischen Gesellschaft für Thermografie (ÖGfTh) gelistet, auf der man auch ausführliche Hintergrundinformationen zum Verfahren findet. www.thermografie.co.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2016)

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