Was passiert, wenn die Mama Krebs hat

Teddybär-Operation und Strahlentherapie: Die Med-Uni Wien bereitete ernste Themen kindgerecht auf.

Wien.Zögerlich gehen die Hände in die Höhe. Schließlich zeigt genau die Hälfte, neun von 18 Kindern, auf. „Wer hat schon einmal mit Krebs zu tun gehabt? Bei der Oma oder bei Verwandten?“, hat die Vortragende Susanne Koizar, Biologin an der Universitätsklinik für Strahlentherapie, gefragt.

Es ist ein ernstes Thema, dem sich die Jungstudenten bei der KinderUni in den Räumen der Medizin-Uni Wien im AKH widmen – kindgerecht aufbereitet: Während andere Teilnehmer in 59 verschiedenen Workshops Teddybären am Blinddarm operieren oder sich als Detektive auf die Spur von Allergien und Karieserkrankungen machen, lernen die Zehn- bis Zwölfjährigen in diesem Seminar, wie Krebs entstehen kann, was er mit dem menschlichen Körper macht – und, vor allem, wie man sich schützen kann.

Dass das Thema Krebs heikel ist, dessen sind sich die Veranstalter bewusst – gerade deshalb sei es wichtig, darüber zu reden: „Daran, wie viele Kinder aufgezeigt haben, sieht man, wie präsent das Thema Krebs in ihrem Leben ist. Und deshalb müssen wir informieren“, so Koizar. Und: „Wichtig ist, dass wir Erwachsene endlich aufhören, das Thema selbst als Tabu zu behandeln. Nur dann können auch Kinder damit umzugehen lernen.“

Die 31-Jährige führt die Kinder deshalb langsam an die Problematik heran, erklärt die DNA („Das ist eine Bauanleitung, wie etwa in einer Lego-Box. Nur, dass sie in einer Zelle wohnt.“) und Aufbau und Funktionsweise der Zellen. In der Raummitte hat Koizar alltägliche Dinge und Bilder platziert, die die Kinder nun in krebserregend und ungefährlich einteilen sollen.

„Opa schaut aus wie ein Skelett“

Die jungen Studenten nehmen die Aufgabe ernst, kennen sich gut aus: „Das ist eine Nektarine, die ist gut.“ – „Die Sonne kann schlecht sein. Von den Strahlen, da kriegt man einen Sonnenbrand.“ – „Bio-Nüsse, die sind gesund. Die sind nicht gespritzt.“ Die Kinder erzählen auch Geschichten, stellen Fragen: „Mein Opa hat Krebs gehabt und ausgeschaut wie ein Skelett mit Haut“, sagt eines der Mädchen. „Warum können auch Kinder Krebs bekommen?“, fragt ein anderes. Sie nimmt teil, weil ein guter Freund von ihr – er geht erst in die zweite Klasse – Leukämie hat. Koizar ist bemüht, alle Fragen zu beantworten: „Kinderkrebs“, sagt sie, „kommt meist von einem genetischen Defekt.“ Die Teilnehmer, mehrheitlich Mädchen, hören aufmerksam zu.

Wenig später folgt der praktische Teil des Seminars: Die Kinder dürfen auf dem Röntgentisch Platz nehmen, auf dem die Krebspatienten im AKH auf ihre Strahlentherapie vorbereitet werden. Aus einem speziellen Plastik werden echte Arm- und Beinschienen geformt, die normalerweise die Körperteile bei der Bestrahlung fixieren sollen. Dass hier auch viele Kinder behandelt werden müssen, macht nachdenklich.

„Rauchen ist nicht cool“

Doch können die Kinder den Ernst des Themas überhaupt begreifen, können sie wirklich etwas für ihren eigenen Lebenswandel lernen? Ja, meint Koizar. Wichtig sei es, die Kinder schon früh auf die Gefahren einer Krebserkrankung hinzuweisen, und zwar immer und immer wieder. „Die Kinder lernen jeden Tag so viel, da muss man ihnen durch Wiederholung zeigen, was wirklich wichtig ist.“ Deshalb widmet sie auch einen Teil des Seminars dem Rauchen. Denn das, sagt sie, „scheint euch in ein paar Jahren vielleicht mal cool. Ist es aber nicht. Fröhlich sein ist cool, gesund sein ist cool. Aber Rauchen, das ist nicht cool.“

Wenn diese Botschaft „auch nur bei zwei dieser Kinder ankommt“, habe sie etwas erreicht, so Koizar. Immerhin seien rund 70 Prozent all jener, die einen HNO-Tumor haben, Raucher. Und von einem ist sie überzeugt: „Wer versteht, dass die Oma deswegen an Lungenkrebs gestorben ist, überlegt sich, ob Rauchen wirklich toll ist.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.