Mitterlehners Härtetest für den neuen Kanzler

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner.
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner.(c) APA/BARBARA GINDL
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Der Vizekanzler und ÖVP-Obmann startet mit konstruktiver Zusammenarbeit mit SPÖ-Chef Kern. Bis zum Sommer läuft bei (Wirtschafts-)Reformen die schwarze Testphase für den roten Regierungspartner.

Wien. Nach mehreren Telefonaten kam es am Dienstag ab 15.45 Uhr im Parlament unmittelbar vor der Angelobung von Christian Kern zu einem ersten Treffen mit Vizekanzler ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner. Der ÖVP-Bundesparteivorstand hat die Linie gegenüber dem neuen SPÖ-Vorsitzenden schon in der Vorwoche vorgegeben. Dieser dürfe keinesfalls von der am 20. Jänner von der Regierung mit den Ländern festgelegten restriktiven Linie in der Asylpolitik abgehen.

Mitterlehner ist selbst in einer Zwickmühle, weil Teile der ÖVP aus ihrer Abneigung gegen eine Fortsetzung der Koalition mit der SPÖ kein Hehl machen. Der Vizekanzler lässt sich nun Spielraum: Er probiert es mit dem Angebot einer konstruktiven Zusammenarbeit mit Kern, wie der „Presse“ aus ÖVP-Parteikreisen signalisiert wurde. Der neue Bundeskanzler muss demnach in den wenigen bis zur Sommerpause des Parlaments verbleibenden Wochen eine Bewährungsprobe der ÖVP bestehen. Bis Juli sollen einige aufgeschobene Arbeitsvorhaben endlich erledigt werden. Dem ÖVP-Chef sind neben der Fortsetzung des strengeren Asylkurses, der der SPÖ noch unter Bundeskanzler Werner Faymann abgetrotzt wurde, vor allem aufmunternde Signale für Österreichs Wirtschaft wichtig: Schritte für flexiblere Arbeitszeiten (etwa die Möglichkeit von zwölf Stunden Maximalarbeitszeit pro Tag, je nach Auftragslage); diverse bürokratische Entlastungen für Betriebe; ein Gebührenstopp.

Schwarz-Blau-Fans warten gespannt

Dem ÖVP-Obmann geht es allerdings auch um einen Befreiungsschlag in eigener Sache. Denn der schwarze Wirtschaftsflügel ist seit der Steuerreform und der recht ungewissen Gegenfinanzierung auf dem Kriegspfad gegen Mitterlehner, der früher immerhin Vizegeneralsekretär der Wirtschaftskammer war, und Finanzminister Hans Jörg Schelling.

Für den neuen Bundeskanzler Kern wird das zum ersten Härtetest durch den Koalitionspartner ÖVP. Denn der SPÖ-Chef hat zwar gleich bei seinem ersten Medienauftritt nach dem SPÖ-Parteivorstand am Dienstagnachmittag Kooperation bei Projekten für Österreich angeboten (siehe Bericht oben). Allerdings zielt Mitterlehner mit seinen vorrangigen Reformanliegen in doppeltem Sinn auf den Kern der SPÖ, der sich in der Nach-Faymann-Ära eine deutliche sozialdemokratische Handschrift in der Regierung wünscht. Die Anliegen der Unternehmen – und nun der ÖVP – stehen dabei naturgemäß nicht ganz oben auf der Liste der SPÖ.

Im Sommer wird dann ÖVP-intern eine erste Bilanz gezogen. Jene, die in der ÖVP mit Schwarz-Blau liebäugeln, werden diese Bestandsaufnahme besonders interessiert verfolgen. Möglicherweise wird es als Zeichen des guten Willens beider Koalitionsparteien auch eine Regierungsklausur geben.

Derzeit bleibt es, wie von Mitterlehner angekündigt, dabei, dass es in der ÖVP keine Regierungsumbildung geben wird. Inhaltlich soll die Zukunftskonferenz der ÖVP am Freitag dieser Woche den einen oder anderen weitergehenden Anstoß liefern.

Von Oppositionsseite räumten Grüne, Neos und Team Stronach Kern vorläufig einen gewissen Vertrauensvorschuss ein. Nicht so die FPÖ, die sofort das „Chaos“ in der SPÖ, der sogar die Tagesordnung im Nationalrat zum Opfer fällt, kritisierte. (ett)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2016)

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