Ahmadinejad: Präsident eines gespaltenen Landes

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Am Mittwoch wird Mahmoud Ahmadinejad als Präsident vereidigt. Sein Spielraum nach der umstrittenen Wahl ist klein. Doch die Opposition muss er vorerst nicht fürchten, ebenso wenig wie den Westen.

Die Revolution im Iran ist bis auf Weiteres abgesagt. Am Mittwoch soll der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad vor dem Parlament den Eid für seine zweite Amtszeit leisten. Er wird der Präsident eines gespaltenen Landes, in dem ein Teil der Bevölkerung die Rechtmäßigkeit seiner Wahl anzweifelt.

Zu seinen Gegnern zählen nicht nur die hunderttausenden Demonstranten, die nach dem 12.Juni auf die Straße gingen, sondern auch ein Teil der Priesterseminare in Ghom und sogar konservative Parlamentarier. Ahmadinejad hat dramatisch an innenpolitischem Spielraum verloren. Die andere drängende Frage ist, wie er mit der internationalen Gemeinschaft im Atomstreit verfährt.

Fest steht: Ohne die Rückendeckung des nach der iranischen Verfassung nahezu allmächtigen religiösen Führers Ali Khamenei hätte sich Ahmadinejad kaum behaupten können. Mit seinem Segen für die Wahl und seinem Lob für den Präsidenten hat sich Khamenei aber zugleich selbst Fesseln angelegt. Er hat sich in eine Situation begeben, in der jede Kritik an Ahmadinejad zugleich seine eigene Kompetenz infrage stellt und sein Amt, das mit dem Anspruch überlegener religiöser Weisheit verbunden ist.

So lobte Khamenei Ahmadinejads Wahl an diesem Montag nochmals, und zwar als eine „goldene Seite“ in der Geschichte des Iran und als Votum für die Fortsetzung des Kampfes gegen „Arroganz und Imperialismus“. Genau ein solches Ergebnis hatte Khamenei schon vor dem Urnengang verlangt. Denn er fürchtet nichts so sehr wie die ausgestreckte Hand von US-Präsident Barack Obama.

Da der religiöse Führer ihn nicht fallen lassen kann, ist die Feindschaft der Reformbewegung im Moment für Ahmadinejad zwar lästig, aber nicht gefährlich. Zu Beginn der Woche haben Milizen und Polizei vorgeführt, dass sie Straßenproteste auch schon im Ansatz ersticken können. Der Schauprozess gegen 100 Oppositionelle wird ein Übriges tun, die Leute einzuschüchtern.

Herausforderer ohne Ziel

Herausforderer Moussavi und seine Anhänger setzen dagegen auf die Tradition des Märtyrertums, indem sie das Andenken der bei den Demonstrationen und in den Gefängnissen Getöteten hochhalten. Das heißt, das Regime mit seinen eigenen Waffen zu bekämpfen. Trotzdem hat die Protestbewegung ihre Trümpfe im Wesentlichen bereits ausgespielt. Außerdem hat sie kein Ziel mehr. Ahmadinejad ist vereidigt, da kann Moussavi nicht mehr die Annullierung der Wahl fordern. Einige Karten in der Hand hält noch die konservative Opposition gegen Ahmadinejad. Für sein Kabinett braucht Ahmadinejad die Zustimmung des iranischen Parlaments, unter dessen konservativer Mehrheit er viele Gegner hat. Dazu gehört insbesondere der einflussreiche Parlamentssprecher Ali Larijani, den Ahmadinejad als Chefunterhändler im Atomstreit erst eingesetzt und dann gefeuert hat. Es könnte auch gut sein, dass Revolutionsführer Khamenei die konservative Opposition gegen den Präsidenten unterstützt, um wieder etwas mehr Freiraum zu bekommen. Außerdem hat sich Ahmadinejad in letzter Zeit einige Fälle von Respektlosigkeit gegenüber Khamenei zuschulden kommen lassen.

Weniger gefährdet scheint das Regime durch außenpolitische Herausforderungen. Der Sicherheitsrat hat dem Iran bis September Zeit gegeben, um auf das Verhandlungsangebot der USA einzugehen. Doch Ahmadinejad will über Zugeständnisse in der Atomfrage nicht einmal reden. Jede weitere Zeitverzögerung hilft dem Iran bei der Anreicherung.

Fragwürdige Benzinsanktionen

In Gesprächen zwischen dem Senat und Mitgliedern der US-Regierung ist der Gedanke aufgekommen, es mit Sanktionen gegen Firmen zu versuchen, die den Iran mit Benzin beliefern. Der Iran ist zwar der fünftgrößte Erdölproduzent, muss aber wegen fehlender Raffinerien 40 Prozent seines Benzins einführen. Es wird nun laut nachgedacht, ob ein bereits angeschlagenes Regime eine Blockade durchstehen kann. Wenn das Blockadeprojekt realisiert wird, so hat es gute Aussichten, als großer Fehler in die Geschichtsbücher einzugehen. Denn das Volk des Iran würde sich vermutlich mit der eigenen Regierung solidarisieren.

Die Wirkung könnte beschränkt sein. Die Iraner gehen verschwenderisch mit Energie um, deshalb gibt es auch ein hohes Einsparpotenzial. Bei einer der Blockaden könnte die Regierung eine Rationierung oder eine Erhöhung des Benzinpreises durchsetzen. Dadurch ginge dann auch der Schmuggel von subventioniertem Benzin und Diesel in andere Länder zurück. Finanziell und politisch könnte Teheran sogar davon profitieren. Die Spannung würden außerdem den Ölpreis in die Höhe treiben. Dazu kommt die Gefahr von militärischen Konfrontationen, wenn etwa iranische Streitkräfte als Vergeltung den Schiffsverkehr in der Straße von Hormuz behindern.

Zudem ist die Blockade eine Einbahnstrategie. Der Westen kann sie beginnen und muss dann abwarten, ob sie funktioniert, und wie der Iran reagiert. Viele weitere Optionen gibt es dann nicht. Denn eine weitere Verschärfung der Sanktionen wäre im UN-Sicherheitsrat kaum durchsetzbar. Dafür werden China und Russland sorgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2009)

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