Zum Zocken ist man nie zu alt

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Nicht nur auf dem PC oder auf Konsolen wird gespielt, sondern vermehrt auch auf dem Smartphone. Und die Silver Gamer übernehmen allmählich das Kommando.

Als Silver Gamer werden sie bezeichnet, oder als Generation C64, benannt nach dem Heimcomputer aus den frühen 1980er-Jahren. Auch Generation Atari ist in der Branche ein beliebter Begriff für die Spieler, die ihre Liebe zu Spielen nie aufgegeben oder sie überhaupt erst in der Pension für sich entdeckt haben. Mit dem Einzug der Browsergames entdecken viele Menschen im Alter beliebte Klassiker aus ihrer Jugend wieder.

Computerspiele als Freizeitvergnügen nur jungen Menschen zuzuschreiben ist zwar gängige Praxis, aber ein Trugschluss. Die Videospielbranche ist knapp 70 Jahre alt, und entsprechend alt sind auch die Menschen, die „Pong“ und „Space Invaders“ nicht nur aus Erzählungen kennen. Viele davon haben ihre Liebe zu den fantastischen Welten nicht verloren.

Manche haben durch den Einzug von Browsergames wieder Zugang zu Videospielen gefunden, da in den vergangenen Jahren vor allem auch viele Klassiker eine Renaissance erlebten. Die einfache Bedienung via Smartphones ist ein weiterer, wichtiger Faktor. Die weltweite Gaming-Community lässt sich nicht einfach in eine Schublade stecken und erst recht nicht als eine, große Zielgruppe definieren.

Gamer finden sich in allen Gesellschafts- und Altersschichten. Die Mehrheit der Spieler ist zwar noch jung, aber die Branche erlebt einen Umbruch. In den USA sind bereits über 37 Millionen Spieler über 50 Jahre alt. In Europa und Asien ist der Anteil an älteren Spielern ebenfalls sehr groß– und er wird in den nächsten Jahren noch zunehmen. Davon ist Bob de Schutter von der Universität Miami aufgrund der demografischen Entwicklung überzeugt.

Strategie- statt Ballerspiele. Die Silver Gamer sind längst nicht mehr an nur einer Hand abzuzählen und werden immer mehr zu einer gewichtigen, entscheidenden Gruppe, die auch für Spieleentwickler allmählich relevant wird. In wenigen Jahren werden die älteren Spieler zu einer signifikanten Zielgruppe anwachsen. Ein Trend, auf den die großen Studios noch nicht reagiert haben. Denn die Ansprüche und Erwartungen an die Spiele sind natürlich andere als jene, die jungen Spieleenthusiasten haben.

Silver Gamer bevorzugen Spiele, die unterhaltsam sind, aber auch die Merkfähigkeit trainieren. Wenig Anklang finden Ego-Shooter oder Titel im Mehrspielermodus. Dort wird man wahrlich weniger ältere Menschen antreffen. Das liegt aber auch daran, dass die Erzählstruktur und die Spielmechanik vorrangig auf junge Menschen mit schneller Reaktionszeit ausgerichtet sind. Viele fühlen sich durch die Abläufe und Anforderungen gestresst. Etwas, das man in seiner Freizeit nicht sein möchte; in dieser sollte das Gegenteil der Fall sein.

Kinder ermöglichen Zugang. Der 63-jährige Christian Leppersjohann erklärte in einem „Der Westen“-Interview, dass er durch seine Kinder zu spielen begonnen habe, damals noch auf einer Nintendo-Konsole. Wenn er auf Dienstreisen war, hatte er immer seinen Laptop mit. Jetzt, in der Pension, könne er sich intensiv um seine Bauern, Jäger und Müller kümmern: Die Leidenschaft von Leppersjohann ist der Spieleklassiker „Die Siedler“. Sogar einen Ersatzmann hat er, wenn er im Ausland urlaubt. Dann kümmert sich der eigens dafür angelernte 83-jährige Schwiegervater um das Wohlergehen der Siedlerbevölkerung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2016)

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