Warum größere Klassen besser sind

Kleine Pflichtschulklassen sind teuer, und sie bringen keineswegs mehr Lernerfolg, wie unzählige Studien zeigen.

In ihrem neuen vergleichenden Bericht über die Ressourcen für Bildung stellt die OECD fest, dass das österreichische Schulsystem generell gut ausgestattet ist. Österreich wendet mit 4,9 Prozent des BIPs zwar etwas weniger als der Durchschnitt der OECD-Länder für Bildung auf. Die Ausgaben pro Schüler liegen aber um rund 30 Prozent über dem Schnitt.

Allerdings sei, so der Bericht, das System vergleichsweise ineffizient, was sich unter anderem in den nur durchschnittlichen Leistungen bei internationalen Schülervergleichen zeige.

Als einen von vielen Faktoren, die für die mangelnde Effizienz verantwortlich sind, nennt die OECD die kostenintensiven kleinen Klassen und Schulen im ländlichen Raum. Tatsächlich weist die aktuelle Statistik Austria für das Schuljahr 2014/15 eine durchschnittliche Klassengröße von 18,5 Schülern in Volksschulen auf. Ein Wert, der durch eine politische Initiative namens Klassenschülerhöchstzahl 25 erreicht wurde. Insgesamt, so hat das Bildungsministerium 2013 bekannt gegeben, werden jährlich über 330 Millionen Euro für die kleineren Klassen aufgewendet.

Eindeutige Studienergebnisse

Die OECD meint nun, durch größere Klassen ließe sich Geld sparen, das in anderen Bereichen effektiver eingesetzt werden könnte. Vertreter der Lehrergewerkschaft hingegen sagen, dadurch würde die Qualität des Unterrichts leiden: Bei mehr Schülern brauchten die Lehrer mehr Zeit, um für die notwendige Disziplin zu sorgen, und es bliebe weniger, um Inhalte zu vermitteln. Und in einer Hinsicht haben sie auch recht: Die Klassengröße wirkt sich unmittelbar auf die Arbeitsbedingungen, etwa die nötige Vorbereitungszeit, und die Zufriedenheit der Lehrer aus. Das bestätigen viele internationale Untersuchungen.

Zwischen der Klassengröße – in der Bandbreite 15 bis 30 Schüler – und dem Lernerfolg der Schüler besteht aber kein statistisch signifikanter Zusammenhang. Die Sinnhaftigkeit von kleineren Klassen wurde seit den 1960er-Jahren in unzähligen empirischen Studien ausführlich untersucht. Die Ergebnisse sind übereinstimmend und eindeutig.

Unselige Tradition

In fast allen Ländern sind die Auswirkungen kleinerer Klassen so gering, dass die Kosten den Nutzen bei Weitem übersteigen. Ausnahmen bilden nur Länder mit kurzer Ausbildungszeit und geringem Gehalt für Lehrer. Was für Österreich sicher nicht zutrifft. Gut ausgebildete und fähige Lehrer kommen mit dem Unterricht in Klassen mit mehr Schülern genauso gut zurecht wie in kleinen. Darum hat bei ihnen die Größe kaum Einfluss auf Lernerfolg und Schülerleistungen.

Die wissenschaftlich abgesicherte Evidenz der internationalen Studien zeigt: Eine schrittweise, aber kontinuierliche Erhöhung der Klassenschülerzahlen in Volks-, Haupt- und Neuen Mittelschulen auf den europäischen Durchschnitt wäre ein sinnvoller Beitrag zur finanziellen Konsolidierung des österreichischen Schulwesens.

Natürlich gilt das nicht für städtische „Brennpunktschulen“. Denn die frei werdenden Mittel sollten gezielt in Klassen mit einem hohen Anteil an Schülern mit Sprach- und Lernhandicaps umgeleitet werden.

So gesehen sollte die neue Bildungsministerin die Empfehlungen der OECD doch näher betrachten. Auch wenn sie dann mit einer unseligen, aber weit verbreiteten Tradition in der österreichischen Bildungspolitik brechen würde: Nämlich vor evidenzbasierter Reformpolitik immer dann zurückzuschrecken, wenn die Interessen der Lehrer und ihrer Gewerkschaften beeinträchtigt wären. Die Schüler würden davon profitieren.

Wolfgang Feller ist Projektleiter für den Bereich Bildung bei der Denkfabrik Agenda Austria.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2016)

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