Kroatien: „Besser als die große Mannschaft von 1998“

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FBL-EURO-2016-MATCH32-CRO-ESP(c) APA/AFP/GEORGES GOBET
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Gruppensieger Kroatien hat alle Voraussetzungen, um bei dieser EM noch sehr weit zu kommen.

Bordeaux. Der Regisseur (Luka Modrić) spielt bei Real Madrid, sein Nebenmann beim FC Barcelona (Ivan Rakitić). Über die Flügel greifen zwei Profis von Inter Mailand an (Ivan Perišić, Marcelo Brozović), im Zentrum lauert ein Juventus-Stürmer (Mario Mandžukić). Angeführt wird die Truppe von einem Kapitän mit 130 Länderspielen in den Beinen (Darjo Srna), er sagt: „Ich spiele seit 15 Jahren für die Nationalmannschaft. Vielleicht haben wir ein besseres Team als die große Mannschaft von 1998.“
Die Generation um Davor ?uker wurde damals in Frankreich WM-Dritter, aber die aktuelle Auswahl will mehr. „Wir möchten etwas schaffen, was zuvor noch nie jemand in Kroatien erreicht hat“, erklärte Barcelona-Star Rakitić.

„Nur wenige schlagen Spanien“

Den Gruppensieg haben sich die Kroaten mit einem 2:1-Erfolg über Titelverteidiger Spanien bereits gesichert – die Ausgangssituation in der K.-o.-Phase könnte damit kaum besser sein. Während sich in der einen Tableauhälfte die Titelfavoriten Deutschland, Frankreich, England, Italien und Spanien früher oder später gegenseitig aus dem Turnier befördern werden, bekommt es Kroatien im Achtelfinale mit einem Gruppendritten zu tun. Im Viertelfinale würde dann der Sieger des Duells zwischen der Schweiz und Polen warten.

Spätestens der Sieg gegen die in Bestformation angetretenen Spanier hat die Kroaten in den Kreis der Titelfavoriten katapultiert. Spanien hatte zwar die größeren Spielanteile, Kroatien blieb dank schnellen Umschaltspiels aber stets brandgefährlich. Und das, obwohl Modrić und Mandžukić pausierten. Im Gegensatz zu Modrić ist der Mittelstürmer noch nicht im Turnier angekommen, in 180 Minuten schoss er erst zweimal aufs gegnerische Tor.

Sturmkollege Perišić erwies sich mit zwei Toren aber als treffsicher, er erzielte auch das späte Siegestor gegen Spanien. „Ich glaube, dass es nur wenige Mannschaften gibt, die Spanien schlagen können“, meinte Perišić danach.

Böller und Pyrotechnik

Einziger Schandfleck, der das kroatischen EM-Märchen trübt, ist der Anhang. Mit dem Zünden von Feuerwerkskörpern und Tribünenschlägereien hatten kroatische Fans gegen Tschechien eine Unterbrechung provoziert, die Mannschaft verspielte danach gegen eigentlich unterlegene Tschechen eine 2:0-Führung. Eine harte Strafe der Uefa blieb aus, lediglich eine Geldstrafe (100.000 Euro) wurde ausgesprochen. Dabei galt Kroatien nach der EM-Qualifikation als Wiederholungstäter. Bei der Partie in Italien im November 2014 flogen Feuerwerkskörper auf das Spielfeld, beim Rückspiel in Split war ein großes Hakenkreuz auf dem Platz zu sehen, kroatische Fans hatten den Rasen präpariert. Hintergrund der Ausschreitungen in Frankreich ist ein Konflikt der Anhänger mit dem vermeintlich korrupten kroatischen Verband, dessen Präsidenten, Davor ?uker, die Anhänger nur als Marionette des mächtigen Präsidenten von Serienmeister Dinamo Zagreb, Zdravko Mamić, ausgemacht haben. Auch Teamchef Ante ?ačić, 62, ist nicht unumstritten.

Obwohl er außer Zagreb (Double 2011/12) nur unterklassige Vereine trainiert hat, kommt er mit den Stars gut zurecht. Rakitić und Modrić, eigentlich Erzrivalen in Spaniens Liga, harmonieren prächtig. „Die Atmosphäre im Team ist großartig“, erklärte Modrić. 30 Jahre ist der Spielmacher alt, Rakitić 28, Mandžukić 29. Sie alle haben schon die Champions League gewonnen und sagen sich bei dieser EM: Wann, wenn nicht jetzt? (joe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2016)

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