Die Rivalität und Anziehungskraft der alten Garde

Er hat es nicht verlernt: John McEnroe, 57, trainiert nun Milos Raonic, 25.
Er hat es nicht verlernt: John McEnroe, 57, trainiert nun Milos Raonic, 25.(c) REUTERS (Tony O´Brien)
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Wimbledon ist auch die Bühne der Trainerlegenden McEnroe, Lendl und Becker.

London/Wien. Novak Djoković tut es. Auch Andy Murray, Roger Federer, und Kei Nishikori tun es, seit Kurzem zählen außerdem Stan Wawrinka und Milos Raonic zu diesem erlauchten Kreis. Sechs der sieben aktuell besten Tennisspieler der Welt vertrauen auf einen Trainer, der einst selbst Weltklasse war. Der Tennissport der Gegenwart ist voll gepackt mit viel Vergangenheit, es ist eine fantastische Symbiose.

Wer dieser Tage seine Blicke über die gepflegten Plätze des All England Lawn Tennis and Croquet Club schweifen lässt, erspäht so viele Stars wie bei noch keinem Wimbledon-Turnier zuvor. Natürlich, die Hauptattraktion bleiben die Spieler, Roger Federer genießt im Südwesten Londons einen nahezu gottähnlichen Status. Aber was sich in der zweiten Reihe abspielt, wer sich hier im Schatten der Stars bewegt, das ist schon bemerkenswert.

Andy Murray etwa hat Ivan Lendl nach Wimbledon mitgebracht. Der 56-Jährige ist eine Koryphäe, nennt acht Grand-Slam-Trophäen sein Eigen. Murray und Lendl haben sich in der Vergangenheit schon einmal zusammengetan, in diese Ära fallen die einzigen großen Erfolge des Briten.

2012 gewann er olympisches Gold und die US Open in New York, ein Jahr später schlug in Wimbledon seine große Stunde. Im März 2014 trennten sich ihre Wege, vor zweieinhalb Wochen gab Murray die erneute Zusammenarbeit bekannt. Die Dominanz seines ewigen Rivalen, Novak Djoković, hat gewiss auch dem Schotten zu denken gegeben. Murray musste irgendetwas ändern, Lendls Zusage war ein Segen. „Er kann mir helfen, meine Ziele zu erreichen.“ Lendl wird seinem Schützling aber weder die Vorhand neu beibringen noch den zweiten Aufschlag als Wunderwaffe revolutionieren. „Ich mache nichts Technisches, null“, gibt Lendl unverblümt zu. Nein, die meiste Arbeit findet im Kopf statt.

Routine und Geschick

Es ist dieser schier unerschöpfliche Schatz an Erfahrungen, das Erkennen von Situationen. Reden ist Gold. Boris Becker, der Djoković in zweieinhalb Jahren zu sechs Grand-Slam-Titel geführt hat, sagt über das Wirken der alten Trainergarde: „Seien wir ehrlich: Wir alle verstehen diesen Sport wahrscheinlich besser als die meisten.“ Das mag arrogant klingen, doch Becker, der als 17-Jähriger zum ersten Mal in Wimbledon gewinnen konnte, hat recht.

Becker und Lendl sind längst nicht die einzigen Szenekenner und früheren Stars, die sich auf den Tennisplätzen dieser Welt tummeln. Jüngster und äußerst prominenter Neuzugang ist John McEnroe. Der US-Amerikaner, 57 und immer noch energiegeladen wie in seinen besten Tagen, schaut dem Kanadier Milos Raonic auf den Schläger. Raonic, der vom ehemaligen spanischen Weltranglistenersten Carlos Moya trainiert wird, hat eigens für die Rasensaison um McEnroes Unterstützung gebeten. „Big Mac“ sagte zu, denn: „Milos ist einer von fünf oder sechs Kerlen, die Wimbledon gewinnen können.“ Und Raonic schwärmt: „John ist ein positiver Mensch. Er ist hartnäckig wenn es darum geht, Dinge umzusetzen.“

Chang, Ivanišević, Krajicek

Mit der Rückkehr der Altstars leben zwangsläufig auch fast schon vergessene Rivalitäten wieder auf. McEnroe und Lendl lieferten sich 36 meist packende Duelle, Lendl und Becker immerhin 21. Nicht immer waren die Matches frei von Konflikten, manche vergisst man nie. Als sich McEnroe und Lendl unlängst beim Turnier im Londoner Queen's Club begegneten, hatten sie sich angeblich nicht viel zu sagen.

Djoković kann den Spielereien abseits des Platzes etwas abgewinnen. „Diese Rivalitäten sind gut für unseren Sport, sie erregen Aufmerksamkeit. Und es ist gut, all diese Typen wiederzusehen.“ Becker sieht das nicht anders: „Es ist großartig für dieses Spiel, dass Stars wie Ivan oder John zurück sind. Und es hebt die Qualität.“

Mit Becker, Lendl und McEnroe ist die alte Garde aber noch nicht komplett. Kei Nishikori wird von Michael Chang betreut, Roger Federer vom Kroaten Ivan Ljubičić. Dessen Landsmann Marin ?ilić wiederum lauscht aufmerksam den Worten von Goran Ivanišević, der vor 15 Jahren an der Church Road triumphiert hat.

Auch Stan Wawrinka hat sich prominente Verstärkung gesichert. Neben Magnus Norman gibt ihm während Wimbledon nun auch Richard Krajicek hilfreiche Tipps. Der Niederländer gewann vor 20 Jahren an Ort und Stelle. Eine Rückkehr von Thomas Muster ist übrigens trotzdem nicht zu erwarten.

Auf einen Blick

Von den Top 10 werden gleich sieben Spieler von früheren Stars trainiert. Es sind: Boris Becker (Novak Djoković), Ivan Lendl (Andy Murray), Ivan Ljubičić (Roger Federer), Richard Krajicek, Magnus Norman (Stan Wawrinka), Michael Chang (Kei Nishikori), John McEnroe, Carlos Moya (Milos Raonic) sowie Sergi Bruguera (Richard Gasquet).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2016)

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