Günther Kräuter: „Graf ist fehl an diesem Platz“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Keine neuen Massensteuern, verspricht SPÖ-Bundesgeschäftsführer Kräuter. Martin Graf sei wegen "Provokationen, die antisemitisch, demokratiefeindlich und letzten Endes untragbar sind" rücktrittsreif.

„Die Presse“: Die Mindestsicherung kommt zwar im September 2010, wird aber nur zwölfmal im Jahr und nicht, wie geplant, 14 Mal ausbezahlt. Das hat der SPÖ massive Kritik aus den eigenen Reihen eingebracht. Ist das letzte Wort schon gesprochen?

Günther Kräuter: Die Mindestsicherung ist ein gewaltiger Fortschritt. In Wahrheit muss man dem Sozialminister dazu gratulieren.

Das sieht ihr Landsmann, der steirische Soziallandesrat Kurt Flecker, diametral anders. Er sagte, es sei unerträglich, dass die Absicherung der Schwächsten unter einem sozialdemokratischen Sozialminister scheibchenweise beschnitten werde.

Kräuter: Nachdem Kurt Flecker die Hintergründe kennt, ist diese Aussage unter seinem Niveau. Denn es gibt ja immerhin ein Verschlechterungsverbot für die Betroffenen.

Wird es Nachbesserungen geben?

Kräuter: Ich sehe das mittelfristig gar nicht so aussichtlos. Es gibt ja in der ÖVP durchaus widersprüchliche Aussagen. Und deshalb bin ich optimistisch, dass sie die Dinge in spätestens einem Jahr anders sieht.

Aber macht es sich die SPÖ nicht zu einfach, wenn sie sich jetzt auf die „restriktive Haltung“ des Koalitionspartners ausredet? Das kauft Ihnen die Parteibasis doch nicht ab.

Kräuter: Der Sozialminister war tatsächlich vor die Frage gestellt, ob er Abstriche bei der Mindestsicherung machen oder vorläufig auf das ganze Projekt verzichten soll.

Das erinnert an die Vermögenssteuerdebatte vor einigen Monaten. Da hat sich auch die ÖVP durchgesetzt. Geht das Harmoniebedürfnis des Bundeskanzlers letztlich auf Kosten sozialdemokratischer Politik?

Kräuter: Man muss schon auch zugeben, dass die SPÖ unter Faymann sehr große Erfolge verbucht hat.

Sehr große Erfolge?

Kräuter: Die Studiengebühren wurden abgeschafft und die Pensionen erhöht, die Hacklerregelung wurde verlängert, das Budget zeigt ein soziales Profil, und die Steuerreform trägt die Handschrift der SPÖ.

Das Gros ihrer Aufzählung sind jene Maßnahmen, die vier Tage vor der Nationalratswahl beschlossen wurden. Genau die hat das Wirtschaftsforschungsinstitut jetzt kritisiert, weil sie das Budget massiv belasten.

Kräuter: Wenn Geld für Sozialprojekte frei gemacht wird, ist der Erfolg umso größer: Ein freier Bildungszugang war unser Kernanliegen, wir haben das im Interesse der Jungen durchgesetzt. Man soll das Licht nicht unter den Scheffel stellen.

Aber die jungen Leute werden das gewaltige Budgetloch irgendwann auch wieder stopfen müssen. Zum Beispiel durch neue Massensteuern.

Kräuter: Massensteuern wie etwa eine Erhöhung der Mehrwertsteuer kommen für die SPÖ nicht infrage. Letztlich kann uns nur eine gute Beschäftigungssituation wieder aus der schwierigen Lage herausführen.

Sie wollen Asylwerbern den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern. Ist eine solche Ansage so kurz vor zwei Landtagswahlen nicht gefährlich?

Kräuter: Das ist an sich eine Überlegung der EU-Kommission, und ich wollte das zur Debatte stellen. Aber ich respektiere es, wenn der Sozialminister das derzeit ausschließt.

Ironischerweise haben einige SPÖ-Abgeordnete im EU-Parlament gegen den Vorschlag gestimmt, Asylwerber nach sechs Monaten in der EU uneingeschränkt arbeiten zu lassen.

Kräuter: Die Frage war damals noch unausgegoren. Mir geht es jetzt um eine längerfristige Perspektive, die an sozialdemokratische Grundpositionen anknüpft. Dabei sollten wir nicht auf Wahlen schielen.

Seit der EU-Wahl gilt die Bundesgeschäftsführung mit Ihnen und Laura Rudas als Schwachstelle der SPÖ.

Kräuter: Es ist normal, dass nach verlorenen Wahlen die Frage gestellt wird, was man verbessern kann. Aber die Sozialdemokratie hat bei der EU-Wahl ja nicht nur in Österreich schlecht abgeschnitten.

Faymann ist einerseits um Abgrenzung von der FPÖ bemüht. Andererseits wählten erhebliche Teile des roten Parlamentsklubs Martin Graf zum Dritten Nationalratspräsidenten. Wie passt denn das zusammen?

Kräuter: Es gibt gewisse Usancen im Parlament, die einzuhalten sind. Aber im Amt hat Graf dann bewiesen, dass er fehl an diesem Platz ist. Nämlich durch Provokationen, die antisemitisch, demokratiefeindlich und letzten Endes untragbar sind. Da nützen keine Rücktrittsforderungen, man muss sich nun ernsthaft mit einer Abwahl beschäftigen.

Aber die ÖVP legt sich quer.

Kräuter: Und trägt für Grafs künftige Ausritte allein die Verantwortung.

AUF EINEN BLICK

Günther Kräuter (SPÖ) will Asylwerbern den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern, wie er
am Freitag in der „Tiroler Tageszeitung“ sagte. Doch von
Bundeskanzler Werner Faymann und Arbeitsminister Rudolf
Hundstorfer (beide SPÖ) kam sogleich eine Absage. Grüne, Caritas, Wirtschaftskammer und der steirische Landeshauptmann
Franz Voves (SPÖ) begrüßen hingegen Kräuters Vorschlag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2009)

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