Die Kameraschafe von „Sheep View“

Sheep View
Sheep View(c) visitfaroeislands.com
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Google wollte keine Kamera-Autos auf den nordischen Archipel schicken, um ihn für Google Street View abzulichten. Also banden die Leute dort Kameras auf Schafe.

Tórshavn. Der Name Färöer-Inseln, also jenes Archipels im Nordatlantik zwischen Schottland und Island, der mit gut 1400 Quadratkilometern nur etwa halb so groß wie Vorarlberg ist, hat in den Ohren vieler Österreicher einen beschämenden Klang: Schließlich verlor die heimische Fußballnationalmannschaft 1990 in Schweden gegen das Team des in Österreich weithin unbekannten, zu Dänemark gehörenden Inselgrüppchens blamabel und wider jede Erwartung 0:1. Österreich verfehlte damit die EM-Qualifikation, der damalige Teamchef, Josef „Pepi“ Hickersberger, nahm seinen Hut.

Seit Kurzem gibt es eine schräge Möglichkeit, wie sich Österreicher im wahrsten Sinn des Wortes ein Bild von der baumlosen, rauen, wettergegerbten und landschaftlich sehr reizvollen Heimstatt jenes Völkchens von heute rund 50.000 Färöern bzw. „Färingern“ machen können, das den Rotweißroten ein sportliches Königgrätz bescherte: Im Rahmen eines beispiellosen Projekts, das im April begann, befestigte eine Gruppe von Färingern unter Leitung der Künstlerin Durita Dahl Andreassen (*1986) auf Schafen Kameras, die Panoramafotos und Filme mit einem Blickwinkel bis zu 360 Grad machen. Die Schafe ziehen damit los und bilden ihre Umgebung nach tierischer Laune und Unvorhersehbarkeit ab. Damit die Batterien länger halten, haben die Kameras, die man mit Ledergurten an die Schafe schnallt, auch Solarzellen.

Den Schafen ist's egal

„Wir haben behutsam mit einem ersten Schaf begonnen, wir wollten sehen, ob der Gurt es stört. Aber das Schaf fand das völlig uninteressant“, sagt Andreassen, die sonst in Kopenhagen als Schauspielerin arbeitet und im touristischen Portal www.visitfaroeislands.com aktiv ist. Dort sind Videos ihres Projekts „Sheep View 360“ zu sehen, während Fotos auch auf die Plattform Google Street View hochgeladen werden – das ist der Internetdienst, bei dem seit 2007 mit 360°-Kameras bestückte Autos durch Städte und Dörfer, über Autobahnen und Landstraßen fahren und die Umwelt ablichten; wo Autos nicht fahren können, trägt man die Kameras. Der Benutzer kann sich über Street View und Google Maps durch die so abgebildeten Gegenden in bereits mindestens 65 Ländern virtuell bewegen und etwa durch London, Sydney oder die patagonische Wüste fahren.

(c) Die Presse

Google war übrigens „schuld“ am Projekt Sheep View 360: Andreassen erzählt, dass man die Firma lang gebeten habe, jemanden auf die Färöer-Inseln zu schicken, um die Inseln, zumindest den Hauptort Tórshavn, für Street View abzufilmen. Google habe darauf nicht einmal geantwortet, also sei man selbst aktiv geworden.

Eindrücke aus der Tundra

Bis jetzt seien aus dem Bestand von mehr als 80.000 Schafen fünf Kameraschafe ausgesucht worden, erzählt Andreasson, ein fröhlicher blonder Girl-Next-Door-Charaktertyp mit breitem Lachen und roter Wollhaube. Ihr Opa war Schafbauer, sie ist den Umgang mit den omnipräsenten Wollknäueln gewohnt. Die aus Schafsperspektive gemachten Filme wirken teilweise holprig, wenn das Schaf in Trab verfällt, durch Senken oder über Hänge geht, bisweilen steht es nur da und frisst. Insofern ist von Street View kaum die Rede, denn die Schafe sind meist irgendwo in der Tundra.

Bei Google wurde derweil betont, dass man nicht plane, ein Kamera-Auto auf die touristisch mäßig erschlossenen Inseln zu schicken, deren Wirtschaft vor allem aus Fischfang und -verarbeitung besteht. Es könne aber jedermann Street-View-Kameras ausleihen und Aufnahmen liefern. (wg)

Web:www.visitfaroeislands.com/sheepview360

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2016)

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