Fall Husslein: Lasst die Kirche im Dorf!

Beim jetzigen Wirbel um die Direktorin des Belvedere geht es um die Verhinderung der „Direktion Husslein III“.

Das Belvedere – Italienisch „schöne Aussicht“ – ist den Wienern als Hort der Tradition, der Kunst und Geschichte bekannt, nicht nur als Sommerresidenz des Prinzen Eugen, auch bereits 1806 als Museum der vor dem Zugriff Napoleons zu beschützenden Ambraser Habsburger-Sammlung, als Wohnort des Thronfolgers Franz Ferdinand, des Bundeskanzlers Schuschnigg und als Ort der Staatsvertragsunterzeichnung – 2013 erweitert um die Prunkräume im Winterpalais.

Dieses historische Haus dämmerte bis 2007 in einem Wachkomazustand Wiener Gemütlichkeit und musealer, gelassener Ignoranz vor sich hin – bis Agnes Husslein die Leitung übernahm und das Museum mit Energie, Kompetenz, Netzwerk und Mut für Neues zu entstauben begann.

Die Direktion Husslein I begann just mit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008. Institutionelle Investoren waren plötzlich nicht mehr bereit, Drittmittel zur Verfügung zu stellen, um das Belvedere so zu bespielen, wie sich dies Husslein vorstellte. Sie bemühte sich um neue Geldgeber und Sponsoren.

Die Kunsthistorikerin kämpfte in leidenschaftlicher Verbundenheit zum Belvedere, mobilisierte jeden Kontakt in ihrem Telefonbuch, überredete Menschen aller Provenienzen bei zahllosen Events außerhalb des Museums, Geld zu spenden. Diese privaten Donationen und Spenden wären ohne Husslein nie zustande und wären dem Belvedere nie zugute gekommen.

Inszenierter „Finanzskandal“

Hussleins Liebesbeziehung zum Belvedere wurde Anfang Juli von jenem Kuratorium jäh unterbrochen, das die Arbeit der vorangegangenen neun Jahre geprüft und gebilligt, das Rechnungs- und Wirtschaftsprüfer beschäftigt und bezahlt hatte; es initiierte öffentlich einen „Finanzskandal“ und prangerte eine angebliche Vermischung von privatem und beruflichem Spesenrittertum an. Die Kampagne gegen Husslein gibt es nicht, weil die künstlerischen oder wirtschaftlichen Leistungen des Direktoriums zu bekritteln wären, sondern weil es um Hussleins dritte Amtszeit geht. Es geht um die Verhinderung der „Direktion Husslein III“.

Fakten sprechen Klartext

Alle Fakten wie Besucherzahlen, Umsatz, Sponsoring-Einnahmen und Anzahl der Ausstellungen sprechen eine klare Sprache zugunsten von Husslein. Die Neidgenossenschaft bläst zum Halali und negiert die von Husslein selbst eingeführten Compliance-Richtlinien sowie ihre belegbaren Erfolge wie etwa über 5000 Neuzugänge. Husslein ist auch zu verdanken, dass zwei Werke von Klimt aus dem Legat Peter Parzer (ca. 100 Millionen Euro wert), die Sammlung Ploner mit über 100 Werken zeitgenössischer Kunst sowie viele weitere Schenkungen an das Belvedere ergangen sind. Dies wie auch zahlreiche Sponsoringeinnahmen belegen, dass Husslein für das Belvedere brennt.

Wer arbeitet, macht Fehler, und Menschen mit dem Speed und dem Elan einer Husslein passierten Fehler durch Unterlassung, Unachtsamkeit oder Ungenauigkeiten im System. Dass Verstöße gegen die von Husslein selbst installierten Compliance-Richtlinien nicht zu tolerieren sind, ist keine Frage. Aber lassen wir die Kirche im Dorf und Husslein im Belvedere.

Als Zeichen der Wertschätzung für Husslein habe ich dem Belvedere die in Streit stehenden und von ihr längst erstatteten 13.000 Euro als Schenkung überwiesen und hoffe, dass mir Künstler, Galeristen und Unterstützer folgen und dem Museum Bilder, Skulpturen, Werke oder Spenden zukommen lassen. Als Wiener will ich mir ein Belvedere ohne Husslein für die nächsten fünf Jahre nicht vorstellen.

Stephan Zöchling ist Unternehmer,
leidenschaftlicher Museumsbesucher
und nach einem Wirtschafts- und Geschichtsstudium auch an Kunst interessiert.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2016)

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