Tausendundein Wahlmärchen

Afghanistans Präsident Hamid Karzai mag ein Verbündeter des Westens sein. Deswegen darf man ihm aber nicht alles durchgehen lassen.

So ein Missgeschick kann im Übereifer schon passieren: dass in einem Wahllokal auf den amtierenden afghanischen Präsidenten Hamid Karzai mehr Stimmen entfallen, als dort Wähler registriert waren. Dumm nur, dass das nicht in einem Wahllokal passiert ist, sondern in zahlreichen. Und dass offenbar nicht jeder Sprengel, der Zahlen übermittelt hat, auch real existierte. Noch dümmer, dass das Ausmaß der Wahlfälschungen nun sukzessive bekannt wird, und Afghanistan vorführt, welch wundersame Dinge sich doch rund um eine Wahl ereignen können.

Tausendundeine Nacht hat die Wahlkommission zwar nicht gebraucht, um Karzai am Dienstag – vorläufig – eine Absolute zu bestätigen, aber immerhin 20 Tage. Angesichts der vielfältigen Berichte über krude Fälschungen mutet das Ganze dennoch wie ein Märchen an.

Schön, dass endlich auch die EU-Beobachter, die sich zunächst in Zurückhaltung geübt haben, von „Wahlbetrug im großen Stil“ sprechen und auch die USA, die Karzai als „ihren Mann in Kabul“ betrachten, Aufklärung fordern. Eine harte Haltung in dieser Frage ist der Westen nicht zuletzt seinen Soldaten schuldig, die dort täglich sterben – und töten. Außerdem: Worin liegt eigentlich der technische Unterschied, ob sich jetzt Irans Mahmoud Ahmadinejad die Wiederwahl erfälschen lässt oder Afghanistans Hamid Karzai? Außer vielleicht darin, dass Karzai auf der „richtigen“ Seite steht. (Bericht Seite 6)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2009)

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