Kerbers nächster Coup: "All meine Träume sind wahr geworden"

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Angelique Kerber, 28, gewann durch einen Dreisatzsieg im US-Open-Finale über die Tschechin Karolína Plíšková ihren zweiten Grand-Slam-Titel in diesem Jahr.

New York/Wien. Vier Stunden nach ihrem überwältigenden US-Open-Triumph gönnte sich Angelique Kerber endlich ein halbes Glas Champagner. Als sie ihre Auftritte im Fernsehstudio überstanden und den Interview-Marathon absolviert hatte, kam die neue Nummer eins im Damentennis zu ihrem Trainer und ihrer Mutter in den ansonsten menschenleeren Spielergarten. „Angie, Angie“, intonierte ihr Coach Torben Beltz, fiel der ersten deutschen US-Open-Siegerin seit Steffi Graf um den Hals und drückte ihr das halbe Glas Schampus in die Hand. „Ich wollte immer Grand Slams holen, jetzt habe ich zwei in einem Jahr geholt. Das kann mir keiner mehr nehmen. Das ist auch eine Erleichterung: Ich weiß, ich gehöre da jetzt wirklich hin“, sagte Kerber. Nach einem 1:3-Rückstand im dritten Satz hatte sie zuvor noch das Endspiel gedreht und die Tschechin Karolína Plíšková nach mehr als zwei Stunden nervenstark und abgezockt 6:3, 4:6, 6:4 bezwungen.

Nachdem sich Kerber schon zwei Tage vorher zur ersten deutschen Nummer eins seit Steffi Graf vor 19 Jahren gekrönt hatte, ließen die Glückwünsche aus Las Vegas nicht lang auf sich warten. „Klasse erarbeitet, gekämpft und Nervenstärke bewiesen!“, schrieb Graf am Sonntag auf Facebook. „Super Angie!!!“ Selbst der Bundespräsident gratulierte noch in der Nacht. „Spiel, Satz und Sieg: Mit Ihnen freuen sich heute viele Menschen in Deutschland über Ihren großen Erfolg“, übermittelte Joachim Gauck. „Mit Ihren Spielen – sei es bei den Australian Open, in Wimbledon oder bei den Olympischen Spielen – begeistern Sie die Tennisfreunde und haben sicher auch viele neu für diesen traditionsreichen Sport gewinnen können“, hieß es in dem Schreiben des Bundespräsidialamts.

Kerber wirkte stolz und erleichtert, als sie sich gegen 22.30 Uhr endlich bei ihrem Team ein klein wenig entspannen und zur Ruhe kommen konnte. Ein bisschen Rotwein stand herum, in Alufolie eingepackte belegte Brote lagen auf dem Tisch. Aber Kerber hatte keine Zeit, weil noch ein Sponsorentermin anstand und sie „unbedingt etwas Richtiges essen wollte“, bevor sie bei einem Barbesuch in Downtown Manhattan den Triumph angemessen feierte.

Allen Zweiflern zum Trotz

Ihr wundersames Jahr 2016 mit dem Australian-Open-Triumph, dem Endspiel in Wimbledon und der Silbermedaille in Rio krönte Angelique Kerber am 10. September mit ihrem ersten Titel bei den US Open. „Dieses Grand-Slam-Turnier hatte für mich immer eine andere Bedeutung als alle anderen Turniere“, sagte die 28-Jährige.

Mit ihrem damals sensationellen Halbfinal-Einzug 2011 begann ihre Wandlung über eine konstante Top-Ten-Spielerin mit dem Hang zur Nervenschwäche und Niederlagen in engen Situationen hin zur körperlich fittesten und mental abgezocktesten Spielerin auf der Tour. Denn Kerber kämpfte immer auch gegen Zweifler und Skeptiker. Eine richtig Große werde nie aus ihr, sagten die einen. Einen zweiten Grand Slam schaffe sie nicht, sagten die anderen. Erst als Kerber auch in Wimbledon und bei den Olympischen Spielen in das Endspiel stürmte, verstummten die Kritiker. Doch als sie eine Woche nach Rio in Cincinnati im Endspiel gegen Plíšková die erste Chance auf die Übernahme der Weltranglistenspitze verspielte, wurde wieder gemäkelt. „Der Sieg war wichtig für mich, aber ich habe mich überhaupt nicht stressen lassen“, sagte Kerber.

Auf dem Platz wurde sie von ihren Emotionen überwältigt, schlug immer wieder ungläubig die Hände vor das Gesicht und wischte sich die Tränen aus den Augen. „All meine Träume sind in diesem Jahr wahr geworden“, sagte die gebürtige Bremerin, als sie um 18.41 Uhr Ortszeit die silberne Henkeltrophäe in die Höhe reckte.

Nur für Trainer Beltz wohnt dem großen Traum ein kleiner Albtraum inne. Als Wetteinsatz muss der 39-Jährige sich jetzt bis zur WTA-WM in Singapur Ende Oktober einen Schnauzbart stehen lassen. „Er hat das vorgeschlagen – und ich hab' eingeschlagen.“ (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2016)

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