Oktober 1956: "Hitler ist tot"

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Vor 60 Jahren erklärte das Amtsgericht Berchtesgaden Adolf Hitler offiziell für tot. Es gebe "nicht mehr den geringsten Zweifel", dass sich der Diktator am 30. April 1945 erschossen hatte. Legenden und Gerüchte lebten dennoch weiter.

4196 Tage. So lange dauerte es nach dem Selbstmord des NS-Diktators bis zu seiner Todeserklärung. „Es wird festgestellt, daß Adolf Hitler, geboren am 20. April 1889 in Braunau am Inn, tot ist. Als Zeitpunkt seines Ablebens wird der 30. April 1945, 15.30 festgestellt“, hieß es auf dem Anschlag, der am 25. Oktober 1956 auf das schwarze Brett des Amtsgerichts Berchtesgaden geheftet wurde. Tags darauf entnahm es auch der Rest der Welt den Zeitungen: Hitler war offiziell tot.

Viele seiner Anhänger, aber auch seiner Feinde, hatten es nach Kriegsende nicht wahrhaben wollen. Legenden von einer Flucht mit dem U-Boot nach Südamerika oder in die Antarktis fanden breites Publikum. Dazu trugen auch die Sowjets bei, die die im Garten der Reichskanzlei in Berlin verscharrten, verkohlten Reste Hitlers eigentlich zweifelsfrei mithilfe von Zahnschemata identifiziert hatten. Dennoch behauptete Stalin auf der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945, Hitler habe überlebt und sei möglicherweise nach Spanien oder Argentinien geflohen. Bewusst schickte der sowjetische Diktator westliche Geheimdienste auf sinnlose Spurensuche.

Streit über Todesursache

Aber auch unter jenen, die am Tod Hitlers keinerlei Zweifel hegten, herrschte keine Einigkeit. Hatte er sich erschossen, vergiftet, oder beides - oder hatte ihn ein Untergebener auf Verlangen getötet?

Dass das Amtsgericht Berchtesgaden 1952 Untersuchungen aufnahm, hatte aber nicht den Zweck, der Legendenbildung ein Ende zu setzen. Es ging um handfeste wirtschaftliche Interessen. Hitlers Besitz wie auch die Rechte an „Mein Kampf“ waren zwar bereits 1948 dem Freistaat Bayern zugeschlagen worden, ohne Todeserklärung stand das jedoch juristisch auf wackeligen Füßen. Immer wieder gab es Streit um Besitztümer Hitlers – und immer wieder bedachten auch Anhänger ihren „Führer“ in ihren Testamenten. Auch Berlin und Wien erhoben Anspruch auf das Verfahren zur Todeserklärung, für zuständig erklärt wurde schließlich aber Berchtesgaden (wo sich Hitlers Berghof am Obersalzberg befand).

Amnestie für Hitler gefordert

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Heinrich Stephanus (c) imago/ZUMA/Keystone (imago stock&people)

42 Zeugen vernahm Richter Heinrich Stephanus in den folgenden vier Jahren. Experten der Abteilung Kriminaltechnik des Bayerischen Landeskriminalamts München erstellten ein 80-seitiges Gutachten. Aus der Bevölkerung trafen gleichzeitig zahlreiche unaufgeforderte Hinweise ein, man habe Hitler lebendig gesehen. „Aber ich denke selbstverständlich nicht daran, Auskunft darüber zu geben, wo er sich gegenwärtig aufhält, solange nicht eine Amnestie erlassen ist“, schrieb etwa eine Frau Mayer aus Weinheim.

Glaubwürdiger waren jene, die in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs im „Führerbunker“ ausgeharrt hatten. Unter den vom Amtsgericht vernommenen Zeugen waren Hitlers Adjutant Otto Günsche und sein Kammerdiener Heinz Linge, die 1955 aus sowjetischer Gefangenschaft freikamen. Sie waren die ersten, die Hitlers Privaträume nach dessen Selbstmord betraten. „Hitler saß auf einem Armsessel“, erinnerte sich Günsche bei der Befragung. „Der Kopf hing über die rechte Schulter, die ebenfalls über die Lehne hing, die Hand schlaff herunterhängend. An der rechten Seite eine Einschussstelle.“ Neben ihm habe die Leiche seiner frisch angetrauten Ehefrau Eva Braun gelegen, sie habe einen mandelartigen Geruch verströmt, wie ihn Zyankali hinterlasse. Linge hatte fünf Tage zuvor von Hitler den Auftrag erhalten, dessen und Brauns Körper nach beider Selbstmord zu verbrennen, damit sie nicht den Russen in die Hände fielen. Weil durch das brennende Berlin Sturmböen zogen, gelang das aber nur teilweise.

„Es kann nicht mehr der geringste Zweifel daran bestehen, daß Hitler sich am 30. April 1945 im 'Führerbunker' der Reichskanzlei mit eigener Hand, und zwar durch einen Schuß in die rechte Schläfe das Leben genommen hat“, folgerte Richter Stephanus am Ende seiner Untersuchungen. Verschwörungstheoretikern erteilte er eine Abfuhr: Von Behauptungen, Hitler halte sich in fernen Ländern auf, bleibe auf Grund der gerichtlichen Untersuchungen „nichts mehr übrig.“ Aufgegeben haben die Anhänger solcher Behauptungen dennoch nicht – bis heute reißt der Strom an Büchern und Dokumentationen, die die Todeserklärung von 1956 anzweifeln, nicht ab.

(kron)

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