„Geld ist gedruckte Freiheit“: Besser kann man Bares kaum definieren

In einem Staatswesen ohne Bargeld gäbe es die totale Kontrolle durch die Obrigkeit und statt freier Bürger nur ständig überwachte und gemaßregelte Untertanen.

The Curse of Cash, der Fluch des Geldes, so betitelt der ehemalige Chefökonom des Internationalen Währungsfonds und jetzige Harvardprofessor Kenneth Rogoff sein Ende September herausgegebenes Buch, worin er wortreich für die Abschaffung von Bargeld plädiert. Rogoff geht bereits seit Längerem mit dieser Idee schwanger. Seine Überlegungen sollen bereits dazu geführt haben, dass die EZB die 500-Euro-Scheine abschaffen wird und in Deutschland eine Grenze von 5000 Euro für Barzahlungen diskutiert wird.

„Erstens behauptet Rogoff“, so erläutert Volkswirtschaftsprofessor Mathias Binswanger in einem Artikel in der „NZZ“, „dass eine Abschaffung des Bargeldes den Zentralbanken die Geldpolitik erleichtere. Denn sobald man nicht mehr auf Bargeld ausweichen könne, ließen sich negative Zinsen viel leichter in die Praxis umsetzen. Und zweitens wird Bargeld (vor allem die großen Scheine) gemäß Rogoff in großem Stil für kriminelle Zwecke verwendet. Also erschwert eine Abschaffung des Bargeldes kriminelle Aktivitäten wie Steuerhinterziehung, Drogenhandel oder Bestechung.“

Beide Argumente werden von Binswanger überzeugend widerlegt: Einerseits ist es schlicht bizarr, mit Negativzinsen positive Erwartungen hinsichtlich der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung zu erhoffen, selbst wenn die Negativzinsen noch so tief unter den Nullmeridian gesenkt werden. Noch schützt die Existenz von Bargeld vor einer verrückten und fast schon zum Selbstläufer gewordenen Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank.

Andererseits ist es naiv, würde man von der Abschaffung des Bargeldes einen Rückgang von Steuerhinterziehung und Schattenwirtschaft erhoffen. Jedenfalls nicht bei der im großen Stil vollzogenen, bei der keine Bagatellbeträge, sondern namhafte Summen unterschlagen werden. Rogoff unterschätzt sträflich die Kreativität von Verbrechern. Im stark anwachsenden Bereich der Cyberkriminalität spielt Bargeld schon heute überhaupt keine Rolle. Zahlungen mit echten Scheinen würden das Gewerbe dieser verruchten Branche im Gegenteil sogar erschweren.

„Bargeld ist eine Bastion des freien Bürgers gegen seine fortschreitende Versklavung“, protestierten Dirk Maxeiner und Michael Miersch, als Deutschlands Finanzminister, Wolfgang Schäuble, es als „intransparentes Zahlungsmittel“ schlechtredete, das, so argumentierte er, vor allem Geldwäschern zugutekomme, die dessen Herkunft verschleiern wollten. In Wahrheit ächtete Schäuble das Bargeld, weil er alle Geldflüsse kontrollieren möchte. Seine Äußerung war vielleicht nur ein Versuch, die Reaktion in der Bevölkerung zu testen. Leider war der Protest viel zu leise.

Fjodor Dostojewski prägte den bekannten Satz „Geld ist gedruckte Freiheit“. Besser kann man Geld kaum definieren. Rogoffs Bestrebungen, den Begriff Bargeld zu vernichten, zielen direkt auf die Einschränkung von Freiheit ab. Nur in einem Staat oder in einem Staatenbund mit Bargeld, mit Scheinen und Münzen, die anonym von Hand zu Hand gehen, ohne dabei Spuren zu hinterlassen, können Bürger für ihr Wohl und das Wohl der Gemeinschaft frei handeln und gesetzestreu ihren Obolus errichten.

Aber in einem Staatswesen ohne Bargeld gäbe es nur ständig überwachte und gemaßregelte Untertanen. Mag sein, dass einige Finanzpolitiker der Europäischen Union den schrägen Vorschlägen Rogoffs gegenüber aufgeschlossen sind. Mit der Abschaffung der 500-Euro-Scheine setzte die EU jedenfalls ein misstrauenerweckendes Zeichen, dass ihr als – wie es Enzensberger nennt – „sanftes Monster Brüssel“ gefügige Untertanen recht wären.

Von der Symbolik her ist der Wegfall der 500-Euro-Note allerdings entlarvend: Auf allen anderen Banknoten sind gesichts- und namenlose Bauwerke der Vergangenheit abgebildet. Nur auf der 500-Euro-Note finden sich ein Bauwerk und eine Brücke in die Zukunft. Die wird nun geschreddert.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Rudolf Taschner
ist Mathematiker
und Betreiber des math.space im
quartier 21, Museumsquartier Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2016)

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