Kaiserburg im Barock, Rokoko, Klassizismus

Maskenball im Großen Redoutensaal: Aquarell von Josef Schütz im Jahr des Wiener Kongresses 1815.
Maskenball im Großen Redoutensaal: Aquarell von Josef Schütz im Jahr des Wiener Kongresses 1815.(c) ÖNB, Bildarchiv, FKB Vues Wien I Burg 22
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Die Habsburgerresidenz im Außen- und Innenleben: In dem Gebäudekonglomerat, in den Sälen und Kabinetten wurde das Schicksal einer Familie, aber auch jenes der Habsburgerländer und des Deutschen Reiches entschieden.

Die Bilder sind Zeichen der Spannbreite des Gebäudekomplexes mit seinen Gebäuden, Höfen und Sälen. In einem pompösen Aufzug von Kutschen und Dienern in Livree nähert sich der französische Botschafter Marquis de Mirepoix am 12. Oktober 1938 den Wiener Basteien und der Hofburg. Eine Verleihungszeremonie wird am 6. Mai 1764 in der Großen Antekammer des Leopoldinischen Traktes inszeniert, das Gemälde zeigt die festliche Gesellschaft und Maria Theresia auf ihrem erhöhten Sitz. Weiters eine bunte Schlittenfahrt mit vielen Rössern und Gespannen anlässlich der Vermählung von Joseph (II.) mit Maria Josepha von Bayern 1765. Ein Aquarell zeigt wiederum einen Maskenball im Großen Redoutensaal im Jahr 1815.

Diese und viele weitere Abbildungen aus der eben erst aufgelegten umfgangreichen Veröffentlichung der Akademie der Wissenschaften „Die Wiener Hofburg 1705–1835“ zeigen das Außen- und Innenleben der Habsburgerresidenz. 1705 markiert das Todesjahr des Habsburgers Leopold I., 1835 jenes von Franz I. (II.). Dazwischen liegt die Zeit des Barock, Rokoko und Klassizismus, in diese 130 Jahre fallen der Spanische Erbfolgekrieg, die Schlesischen Kriege, Österreichs letzter Türkenkrieg und die verlustreichen Konfrontationen mit Frankreich und Napoleon.

Mit Absicht Alt und Neu

Vier Generationen des Hauses Habsburg bzw. Habsburg-Lothringen werden hier behandelt. Der vorliegende von den Kunsthistorikern Hellmut Lorenz und Anna Mader-Kratky herausgegebene Band geht von der Baugeschichte der Wiener Residenz aus. Für die Autoren stellt der Gebäudekomplex ein Konglomerat dar, ein „absichtsvolles Nebeneinander von Alt und Neu“. Nach und nach sind Erweiterungen und Zubauten entstanden, ein Gesamtkonzept kam nicht zur Verwirklichung.

Bei einem Brand am 16. Juli 1799 wurde der Tanzsaaltrakt (der spätere Redoutensaal) arg in Mitleidenschaft gezogen. Um den Zustand der Hofburg war es damals nicht zum Besten bestellt, wie aus einem Reisebericht des Franzosen Casimir Freschot aus dem Jahr 1704 hervorgeht: „Das verdrießlichste ist/daß die Käiserliche Burg ein schlechtes ansehen hat/und daß dasjenige Gebäude/so das schönste und prächtigste unter allen seyn sollte/schlechterdings keine vergleichung mit seinem herrn hat/der es bewohnet/und der den titul des ersten Prinzen in der gantzen welt führet.“

Unter Karl VI. (1711–1740) setzte eine neue Bauphase ein, die Verantwortung wurde den Hofarchitekten Johann Bernhard und Joseph Emanuel Fischer von Erlach sowie Johann Lucas von Hildebrandt übertragen. Der riesige Komplex musste auf den Wohnbedarf der kaiserlichen Familie ausgerichtet sein, weiters enthielt er die Residenzräume für die österreichischen Regenten sowie während der maria-theresianischen Zeit parallel dazu auch die separaten des deutschen Kaisers (Franz I. Stephan von Lothringen und Joseph II.), und schließlich waren in der Hofburg auch die jeweiligen Stabsstellen untergebracht. „Die Hofburg war ein politischer Raum, in dem die unterschiedlichsten Interessen aufeinandertrafen“, sagt Anna Mader-Kratky.

Mit Computervisualisierungen wird die stete Erweiterung des Komplexes sichtbar gemacht. Die letzte Gestaltungsphase in dieser Epoche betraf den Außenbereich, als Napoleon 1809 nach der Einnahme von Wien die Sprengung der Burgbastei verfügte. Das Vorfeld der Hofburg wurde zu einem Erholungsraum, neu errichtet wurde das äußere Burgtor.

Theaterspiel der Erzherzogin

Ausgehend vom Gebäudekonglomerat wird in Beiträgen und Abbildungen ein umfassender Einblick in das Zeremoniell und die Hofkultur, in das Theaterleben und die höfischen Feste und auch in die Hofbürokratie geliefert. Die Theaterwissenschaftlerin Andrea Sommer-Mathis berichtet, dass Maria Theresia in ihrer Kindheit gemeinsam mit ihrer Schwester Erzherzogin Maria Anna auf der Bühne vor einem auserwählten Zuschauerkreis einen Beweis ihres künstlerischen Talents lieferte. Später trat Maria Anna, die Tochter von Maria Theresia, in der Hauptrolle einer Kinderkomödie auf.

Der Redoutensaal für alle

Der Hofburgkomplex verfügte überhaupt über eine Vielzahl an Theater- und Tanzsälen. Wobei schon Karl VI. 1720 die Organisation des höfischen Theaterbetriebs einem Pächter – dem sogenannte Appaldator – übertrug. Das traf auch auf die Redoutensäle zu, die bereits unter Maria Theresia für das nichthöfische Volk geöffnet wurden, vorerst waren die breiten Bevölkerungsschichten nur von den Maskenbällen ausgeschlossen. Aber auch diese wurden unter Joseph II. für alle zugänglich.

Übrigens war dies der einzige Ort in Wien, in dem das Tragen von Larven gestattet war. Sonst war jede Verkleidung wegen der Gefahr von Verschwörungen strikt untersagt. Auch dies markiert ein Stück österreichischer Geschichte.

LEXIKON

Wiener Hofburg. Ein interdisziplinäres Großprojekt behandelt die Baugeschichte, aber auch das Innenleben der Wiener Habsburgerresidenz. Band III der von der Akademie der Wissenschaften herausgegebenen Reihe „Die Wiener Hofburg 1705–1835“ (682 Seiten, 453 Abbildungen, 89,90 Euro, Print-Edition) umfasst die Zeit des Barock, Rokoko und Klassizismus. Band I (bis 1521), Band II (1521–1705) und Band IV (1835–1918) sind in den vergangenen Jahren erschienen, 2017 soll Band V (1918 bis in die Gegenwart) folgen. Der eben fertiggestellte Band III wurde vom Wissenschaftsfonds FWF, der Stadt Wien und der Bank Austria gefördert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2016)

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