Wüstenporträts in der Tiefenanalyse

KUNSTHISTORISCHES MUSEUM WIEN (KHM)
KUNSTHISTORISCHES MUSEUM WIEN (KHM)(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Restauration.Wiener Wissenschaftler sind Teil eines internationalen Netzwerks, das die Geheimnisse antiker Mumienporträts lüften will. Motive und Material liefern wichtige Hinweise.

Wer die Mumienporträts im Kunsthistorischen Museum (KHM) Wien besichtigen will, hat es gar nicht so leicht. Im Saal XII der Antikensammlung werden sie eher unauffällig präsentiert. Wären nicht die leuchtenden Farben der Bilder und der starke Ausdruck, könnten Besucher fast achtlos an den acht Holztafeln vorbeigehen, die aus Ägypten und der Zeit zwischen dem zweiten Viertel des ersten Jahrhunderts und dem dritten Jahrhundert stammen. Diese wurden auf das Gesicht der Toten gelegt und zusammen mit ihnen in Leinenbandagen gewickelt.

Reste des Leinens sind bis heute zu sehen oder auch braune Flecken von einem Kiefer-Harzgemisch, mit dem Lücken zugeklebt wurden. Fünf Männer und drei Frauen sind im KHM ausgestellt, Kleidung und Haare detailgenau abgebildet. Eine Dame aus 117 bis 138 n. Chr. trägt etwa eine Nestfrisur (siehe Bild). Generell erlauben Altersringe am Hals oder weiße Haare Rückschlüsse auf Alter und Status der porträtierten Personen.

Wer war der Künstler?

Das KHM Wien beteiligt sich mit den Daten zu zehn Porträts an der Datenbank, die das J. Paul Getty Museum in Los Angeles seit 2013 zusammen mit 24 anderen Museen aus aller Welt aufbaut. Das Engagement bei „APPEAR – Ancient Panel Paintings: Examination, Analysis and Research“, so der Name des Projektes, ist sehr unterschiedlich. Während die Wiener Wissenschaftler die naturwissenschaftlichen Analysen fast abgeschlossen haben, stehen andere Museen noch am Anfang. Fünf Mumienporträts aus dem Museum der Bildenden Künste in Budapest, das keine eigenen Ressourcen dafür hat, wurden ebenfalls in Wien analysiert.

Einen Überblick über die wissenschaftliche Arbeit bot Projektleiterin Bettina Vak gestern, Freitag, bei der „Nahaufnahme“, der jährlichen Forschungskonferenz des KHM. Auch sie ist gespannt auf die Ergebnisse: „Im Getty-Museum gibt es Porträts, die unseren sehr ähnlich sind. Wenn alle Untersuchungsergebnisse eingetragen sind, können wir etwa feststellen, ob sie aus derselben Werkstatt oder vom selben Künstler stammen“, sagt sie.

Insgesamt 1028 Mumienporträts sind zur Zeit bekannt und wissenschaftlich verzeichnet. Man kennt ihren Fund – und ihren aktuellen Aufbewahrungsort. Nächstes Jahr sollen die neuen Erkenntnisse präsentiert werden. Bis dahin werten Forscher das zusammengetragene Material aus und vergleichen die angewandten Methoden. „Daraus werden sich neue Fragen, Erkenntnisse und Verbindungen ergeben“, sagt Vak.

Um aussagekräftige Informationen liefern zu können, hat sie sich mit der auf Konservierung spezialisierten Expertin für wissenschaftliche Fotografie, der Italienerin Roberta Iannaccone, und mit der Holzspezialistin Caroline R. Cartwright aus dem Britischen Museum vernetzt.

„Welches Holz verwendet wurde, kann möglicherweise Auskunft über die Porträtierten und die Künstler geben“, sagt Vak. Das Holz für Mumienporträts musste sehr hart sein, damit es sehr dünn gespalten und gebogen werden konnte. Optimal geeignet war Lindenholz, das allerdings aus Europa importiert werden musste und deshalb sehr teuer war. „Wenn Lindenholz verwendet wurde, war der Auftraggeber vermutlich wohlhabend“, so Vak. Elektronenmikroskopische Untersuchungen in London kamen zu dem Ergebnis, dass die meisten Wiener Mumienporträts auf Maulbeerfeigenholz gemalt wurden. Dieses ist nicht ganz so hart wie Lindenholz und wächst in Ägypten. Auch Akazien und Tamariske wurden genutzt.

Alte Maltechniken

Am KHM wird die Technik der Herstellung mit Tempera oder Enkaustik (siehe Lexikon) untersucht. So will man herausfinden, welche Farben und Pigmente ursprünglich verwendet worden sind. Besondere Aufmerksamkeit gilt neben Gold dem Ägyptisch-Blau, das – ungewöhnlicherweise – für Schattierungen auf Gesichtern verwendet wurde, und dem rot leuchtenden Krapplack. Um die antiken Pigmente auch in tieferen Schichten der Porträts zu erkennen, helfen bildgebende Verfahren wie Infrarot- oder UV- Aufnahmen sowie die Infrarot-Reflektografie. Vor allem die Röntgenfluoreszenzanalyse, über die das KHM Wien als eines von wenigen Museen verfügt, macht Übermalungen erkennbar und erlaubt es, Pigmente zu identifizieren, ohne die Kunstwerke zu zerstören. Erst die Kombination der verschiedenen Methoden liefere letztlich aussagekräftige Ergebnisse, sagt Vak. [ KHM-Museumsverband]

LEXIKON

Bei der Temperatechnik werden Farbpigmente mit Ei oder Leim, Wasser- oder ölig gebundenem Bindemittel vermischt und mit einem Pinsel in Schichten aufgetragen. Die Farben leuchten nicht, sind aber sehr kräftig. Die Temperatechnik benötigt eine Grundierung.

Bei der Enkaustik oder Wachsmalerei werden ohne Grundierung Farbpigmente mit flüssigem Wachs gebunden und heiß mit einem Pinsel dünn, aber deckend aufgetragen. Die Farben glänzen. Das Wachs ermöglicht eine plastische Struktur und Schraffierungen, die mit einem spachtelartigen Werkzeug entstehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2016)

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