Fußball: Bosniens Teamchef will nach Fan-Tod vermitteln

Ciro Blazevic
Ciro Blazevic(c) REUTERS (Str)
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"Ciro" Blazevic rief nach dem Mord an einem Anhänger des FC Sarajevo zur Einheit auf: "In der Schweiz leben auch drei Völker in Frieden", meinte er und bedauerte die "Anomalie unseres Volkes".

Der Fußball-Teamchef von Bosnien-Herzegowina, Miroslav Blazevic, hat vor den wichtigen WM-Qualifikationsspielen gegen Estland in Tallinn und Spanien in Zenica zur Einheit im nach wie vor ethnisch zerrissenen Staat aufgerufen. "Wir haben in der Qualifikation schon so viel erreicht, und jetzt ist dieser Bursche gestorben", klagte "Ciro" über die Begleitumstände der Vorbereitungen auf die Spiele, die seinem Team den zweiten Platz in Gruppe 5 und damit die Teilnahme an Play-off-Spielen für die Endrunde in Südafrika sichern könnten. Am Sonntag war ein Fan des FC Sarajevo bei Ausschreitungen in Siroki Brijeg in der Nähe von Mostar ums Leben gekommen.

Bei den Vorfällen waren zahlreiche Fans und Polizisten verletzt worden. Der 28-Jährige wurde jüngsten Polizeiberichten zufolge erschossen, zuvor war von einem Schlag auf den Kopf die Rede gewesen. Die Vorfälle wurden in Bosnien-Herzegowina auch auf die Spannungen zwischen den drei Volksgruppen im Land - bosnische Serben und Kroaten sowie Bosniaken (Muslime) - zurückgeführt. Der FC Sarajevo wird überwiegend von bosniakischen Anhängern unterstützt, Siroki Brijeg liegt in der kroatisch dominierten Herzegowina.

"Anomalie unseres Volkes"

Der 74-jährige Blazevic - er stammt aus der bosnischen Stadt Travnik, besitzt aber auch die kroatische und die Schweizer Staatsbürgerschaft - bedauerte die "Anomalie unseres Volkes" und verwies auf seine Trainerjahre in der Schweiz, wo er unter anderem Grasshoppers Zürich, Xamax Neuchatel und das Nationalteam betreut hatte. "In der Schweiz gibt es auch drei Völker mit ihren eigenen Sprachen, die einander mitunter mit Hass begegnen. Aber sie leben trotzdem im Frieden miteinander."

Bosnien-Herzegowina wurde nach dem Krieg durch das Dayton-Friedensabkommen 1995 in zwei "Entitäten" geteilt, die Bosniakisch-Kroatische Föderation und die "Serbische Republik" (Republika Srpska). Mittels einer Verfassungsreform sollen nun aber die gesamtstaatlichen Institutionen gefestigt werden. Diese Bestrebungen werden auch vom Hohen Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft, dem österreichischen Diplomaten Valentin Inzko, gefördert.

Das bosnische Fußball-Nationalteam war durch seine bisherigen Erfolge in der WM-Qualifikation zuletzt zu einer Art Integrationsfaktor geworden. Zuvor galt das Team eher als eine Angelegenheit für Bosniaken und Kroaten, die Serben orientierten sich auch das runde Leder betreffend eher nach Belgrad. Der Erfolgsrun der Auswahl, die den Gesamtstaat repräsentiert, wurde laut Medienberichten aber selbst in der "Republika Srpska" mit wohlwollendem Interesse verfolgt.

Als seinen "größten Erfolg" bezeichnete Blazevic daher den Umstand, dass während der WM-Qualifikation bei den in Zenica ausgetragenen Heimspielen mit Tormann Nemanja Supic ausgerechnet ein bosnischer Serbe mit Sprechchören gefeiert worden war. Zenica liegt in der bosniakisch-kroatischen Föderation. Die "Bluttat von Siroki Brijeg" nahm Blazevic daher geschockt zur Kenntnis: "Das war wieder ein Schritt zurück."

Dass Blazevic, der mit dem kroatischen Team 1998 WM-Dritter geworden war, in Bosnien-Herzegowina als "Völkerverbinder" auftritt, wird in der Region indes auch mit Erstaunen registriert. In Kroatien hatte er sich eher als Anhänger einer betont nationalistischen Politik und als Gefolgsmann des verstorbenen ersten Präsidenten und Staatsgründers Franjo Tudjman hervorgetan.

In der WM-Gruppe 5 ist Spanien mit 24 Punkten aus acht Spielen Platz eins nicht mehr zu nehmen. Um den Play-off-Platz kämpfen Bosnien-Herzegowina (16/8) und die Türkei (12/8). Die Türken treten noch in Belgien und gegen Armenien an.

>>> Stand in der WM-Quali-Gruppe 5

(APA)

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