Aus dem Wald in den Tank

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Themenbild(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Bioenergie.Heimische Forscher zeigen, wie man aus Holz und anderer Biomasse Diesel und Kerosin herstellt. Die weltweit erste Pilotanlage wurde im November eröffnet.

Wie viel Sprit verbraucht der Motor auf 100 Kilometern? „Circa 15 Kilo Holz.“ So könnte in Zukunft ein Dialog beim Autokauf klingen: Burgenländische Forscher arbeiten daran, dass es bald Diesel aus Holz gibt. Das heißt aber nicht, dass Holz direkt in das Auto eingespeist wird. Vielmehr soll Biodiesel aus Biomasse gewonnen werden. Im Labormaßstab klappt das wunderbar: Aus drei bis vier Kilo Holz wird ein Liter Treibstoff erzeugt. Das zeigen auch Versuche im Kompetenzzentrum Bioenergy 2020+, gefördert von Wissenschafts- und Technologieministerium im Rahmen des Comet-Programms.

„Wir zerlegen Holz in seine kleinsten Bestandteile, also in Kohlenmonoxid und Wasserstoff“, erklärt Reinhard Rauch, Projektleiter und Areamanager bei Bioenergy 2020+ in Güssing. „Dann bauen wir – mithilfe von chemischen Katalysatoren – die Einzelteile neu zusammen, zu Kohlenwasserstoffen: Das Ergebnis ist ein Treibstoff, der wie Diesel oder wie Kerosin eingesetzt werden kann, jedoch weniger Emissionen als fossile Treibstoffe hat. Auch Chemikalien wie Wachse wollen wir damit herstellen.“

Zerlegt wird das Holz beim Vorgang der Vergasung: Im Gegensatz zur Verbrennung herrscht dabei kein Sauerstoffüberschuss (sonst würden Kohlendioxid und Wasserdampf entstehen), sondern ein Luftunterschuss, sodass bei der Vergasung Wasserstoff (H2) und Kohlenmonoxid (CO) entstehen.

Drei Tonnen Holz pro Stunde

Das Biomassekraftwerk in Güssing führt diese Zerlegung von Holz zu Gas seit 2002 vor: Hier wurden bisher etwa drei Tonnen Holz pro Stunde umgesetzt und damit Gasmotoren betrieben, um Strom und Wärme zu generieren.

Einen kleinen Teil des Synthesegases zweigen die Forscher nun ab und stellen durch die sogenannte Fischer-Tropsch-Synthese Treibstoff her. Die Pilotanlage in Güssing wurde – mit finanzieller Unterstützung der Industriepartner – heuer im November eröffnet. „Im Labormaßstab konnten wir bisher wenige Liter Diesel pro Tag erzeugen. In der Pilotanlage kommen wir auf ein Barrel pro Tag, das sind 159 Liter“, erzählt Rauch. Die Maßstabsvergrößerung vom Labor auf die Pilotanlage klappte schon in ersten Versuchen. Weitere Fässer werden 2017 gefüllt, wenn die Versuchsreihe weitergeht.

Konflikte vermeiden

Bisher wurde in Güssing nur Holz verwertet, was freilich zu Konflikten mit der Holz- und Papierindustrie führen kann. Daher wollen die Forscher andere Biomasse in Gas verwandeln, nämlich Reststoffe, die vor allem in der Landwirtschaft anfallen. „Wir könnten Olivenkerne oder Stroh verwerten, um Diesel oder Kerosin zu erzeugen“, sagt Rauch. Er sieht die Zukunft von Biotreibstoff vor allem im Schwerverkehr und im Luftverkehr.

Denn im Gegensatz zum Pkw-Individualverkehr kann die boomende Elektromobilität bei Lkw-Langstrecken und bei Flugzeugen in absehbarer Zeit nicht als Konkurrenz gesehen werden. (vers)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2016)

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