Regierungsprogramm: Von Arbeit bis Zuwanderung
Bildung, Sicherheit, Energie: Das 35-seitige Arbeitsprogramm der Regierung umfasst zahlreiche Maßnahmen - und Zeitvorgaben. Ein Überblick.

Das 35-seitige Arbeitsprogramm der Regierung umfasst zahlreiche Maßnahmen und Ankündigungen, in folgende fünf Kapitel aufgegliedert: 1) Zukunft der Arbeit, Zukunft des Standorts2) Bildung / Innovation3) Energie und Nachhaltigkeit4) Sicherheit und Integration5) Staat und Gesellschaft modernisieren Ein Überblick:
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Ein Beschäftigungsbonus für die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze soll eingeführt werden: Für jeden zusätzlich geschaffenen Vollzeitarbeitsplatz werden den Unternehmen in den nächsten drei Jahren 50 Prozent der Lohnnebenkosten erstattet. In den kommenden zwei Jahren (Juli 2017 bis Juli 2019) werden zudem 200 Millionen Euro für die "Beschäftigungsaktion 20.000" zur Verfügung gestellt. 20.000 über 50-jährige Langzeitarbeitslose sollen so in Gemeinden, gemeinnützigen Trägern und Unternehmen beschäftigt werden. Der Kündigungsschutz für Ältere wird gleichzeitig gelockert. Damit krankheitsbedingte Ausfälle von Mitarbeitern Kleinstunternehmen nicht mehr in Existenzängste versetzten, sollen bei Betrieben mit bis zu zehn Beschäftigten die Kosten für die Entgeltfortzahlung zu 75 Prozent ersetzt werden (statt wie bisher zu 50 Prozent). Geplanter Start aller Maßnahmen: 1. Juli 2017
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Die Regierung plant ein Modell zum Ausgleich der kalten Progression. Demnach sollen ab fünf Prozent aufgelaufener Inflation die ersten beiden Tarifstufen von 11.000 Euro und 18.000 Euro automatisch indexiert werden. Damit würden, so die Rechnung von SPÖ und ÖVP, rund 80 Prozent der kalten Progression automatischausgeglichen. Geplanter Start: 1. Jänner 2019 Höhere Steuern sollen indes ausländische Konzerne berappen, die erfolgreich in Österreich tätig sind, derzeit aber hierzulande keine oder nur wenig Steuern zahlen. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) soll bis Ende Juni ein entsprechendes Paket gegen Gewinnverschiebungen vorlegen. Geplanter Start: 1. Jänner 2018
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Um Investitionsanreize zu setzen, soll eine vorzeitige Abschreibung in Höhe von 30 Prozent für Betriebe mit einer Mitarbeiteranzahl ab 250 Personen geschaffen werden. Die Maßnahme soll im Zeitraum von 1. März bis 31. Dezember 2017 gelten. Begünstigt sindInvestitionen in körperliche Anlagegüter wie beispielsweise Maschinen (ausgenommen sind Gebäude und PKW). Außerdem soll die Flugabgabe ab 1. Jänner 2018 halbiert werden.
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Die Forschungsprämie soll ab dem 1. Jänner 2018 auf 14 Prozent weiter erhöht werden. Wohnraum soll für alle leistbar werden, heißt es in der Neuauflage des Regierungsprogramms. Dazu soll „zusätzliches Bauland sowie privates Kapital für den sozialen Wohnbau mobilisiert“ werden. Unter anderem wurde diesbezüglich festgelegt, dass bei Umwidmungen von Grundstücken der öffentlichen Hand in Bauland 25 Prozent als Vorbehaltsflächen für förderbaren Wohnraum ausgewiesen/vorbehalten werden. Wann die Maßnahmen starten sollen, findet sich im Pakt nicht, lediglich ein Ministerrat ist für November 2017 geplant.
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Vage ist der Punkt Arbeitszeitflexibilisierung: Bis 30. Juni sollen demnach die Sozialpartner ein Paket vereinbaren. Sollte kein Konsens gefunden werden, will die Regierung einen eigenen Vorschlag beschließen. Das gleiche gilt für den Mindestlohn von 1500 Euro. Ebenfalls mit den Sozialpartnern verhandelt wird noch über eine Novelle des Arbeitnehmerschutz-, des Arbeitsinspektions-, des Arbeitszeit- und des Arbeitsruhegesetzes - bis Ende 2018 will man hier eine "praxistaugliche Entlastung für alle Stakeholder" erreichen, indem etwa die Meldepflichten reduziert und für Beinaheunfälle entfallen. Im Mai 2017 soll im Sozialministerium eine Ombudsstelle eingerichtet werden, um Beschwerden entgegen zu nehmen und zu beraten. Die Arbeitskräftemigration soll begrenzt werden und zwar mithilfe der Arbeitsmarktprüfung (wenn sich für eine Stelle kein geeigneter in Österreich gemeldeter Arbeitsloser findet, kann sie ohne Einschränkungen vergeben werden). Eine entsprechende Vorlage soll bis März 2017 an die Europäische Kommission gehen.
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Die Entfernungsbeihilfe wird (bis zu 400 Euro pro Monat zusätzlich für doppelte Haushaltsführung) ausgeweitet, um Arbeitslose zu motivieren, auch weiter entfernte Jobs anzunehmen. Die Mindestverfügbarkeit der Arbeitslosen wird von 16 auf 20 Wochenstunden angehoben, ab 30. Juni müssen Vollzeitjobs mit einem Mindestlohn von 1500 Euro angenommen werden. Geplanter Start: 1. Jänner 2018
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Besonders kurz fällt der Punkt "Angleichung Pensionssysteme" aus. Hier plant man die Einrichtung einer Bund/Länder-Arbeitsgruppe mit Finanz- und Sozialministerium und Bundeskanzleramt, um eine Vereinheitlichung zu schaffen. Start der Arbeitsgruppe: April 2017 Etwas ausführlicher beschäftigte man sich mit dem Thema Gesundheit: Wartezeiten für CT- und MRT-Untersuchungen sollen verkürzt werden - und zwar bis Ende März 2017. Sollte bis dahin keine vertragliche Lösung zwischen Sozialversicherung und der Wirtschaftskammer vorliegen, sollen gesetzliche Maßnahmen ergriffen werden. Die Primärversorgung soll ausgebaut werden (konkret genannt werden Kooperationen verschiedener Gesundheitsberufe sowie die schrittweise Umsetzung von zumindest 75 Primärversorgungseinheiten bis 2020). Um den ambulanten Bereich in den Spitälern zu entlasten sollen "multidisziplinäre Leistungsstrukturen möglichst unter einem Dach" geschaffen werden. Mit der Umsetzung soll im zweiten Halbjahr 2017 begonnen werden.
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Insolvenzrecht: Personen, die „finanziell scheitern“, sollen eine rasche Chance auf Neustart erhalten – allen voran gescheiterte Selbständige. Die Eckpunkte: Die Frist im Abschöpfungsverfahren wird auf drei Jahre reduziert, die derzeit geltende Mindestquote entfällt ganz. Geplanter Start: 1. Juli 2017 Einen eigenen Punkt im Regierungsprogramm nehmen Start-ups ein: Wirtschafts- und Infrastrukturministerium sollen einen „Open Innovation Prozess“ starten, die „österreichischen Stärkebereiche“ analysieren (bis Dezember 2017) und die erarbeiteten Maßnahmen in Form einer Partnerschaft zwischen Unternehmen und Staat umsetzen. Geplanter Start der Maßnahmen: 2018
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Vorgesehen ist außerdem ein Lehrlingspaket. Demnach sollen die vollen Kosten für alle Vorbereitungskurse auf die Lehrabschlussprüfung aus den Mitteln der betrieblichen Lehrstellenförderung bezahlt werden. Die bestehende Deckelung von geförderten 250 Euro pro Kurs wird abgeschafft. Auslandspraktika sollen ausgebaut werden. Geplanter Start: 1. Juli 2017 Bis Juni 2017 soll ein Konzept zur Einführung eines Studienplatzfinanzierungsmodells an öffentlichen Unis (inklusive Aufnahmeverfahren und Zugangsregeln "wo erforderlich", wie es heißt) vorliegen. Im Gegenzug soll die Studienbeihilfe allerdings deutlich ausgebaut werden. Geplanter Start: 1. Jänner 2019
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Im Rahmen des Pilotprojekts zum aufgabenorientierten Finanzausgleichs im ersten Halbjahr 2017 sollen unter Einbindung der Länder und Gemeinden ein zweites verpflichtendes Gratiskindergartenjahr sowie zum bereits beschlossene Bildungskompass (Pilotierung Herbst 2017, Vollausbau Herbst 2018) zur Dokumentierung der Talente der Kinder umgesetzt werden. Geplanter Start: 1. Jänner 2018 Schulen erhalten mehr Autonomie, die Bildungsbehörden sollen modernisiert werden. 2020/21 sollen alle Schulen über Breitband-Internet und WLAN verfügen, ab heuer werden alle Schüler der fünften und der neunten Schulstufe schrittweise mit Tablets/Laptops ausgestattet.
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Nicht nur die Schulen, auch das übrige Österreich soll digital auf Vordermann gebracht werden. Dazu ist vorgesehen, dass die Breitbandmilliarde im ersten Halbjahr 2017 evaluiert und optimiert wird, die Mittel über Kooperationsmodelle mit privaten Anbietern sollen verdoppeltwerden. Die derzeit 1300 Pflichtschulen, die noch über keine Internetanbindung verfügen, sollen vernetzt werden. Um Genehmigungsverfahren zu vereinfachen wird bis Anfang 2018 in jedem Bundesland ein One-Stop Shop für Genehmigungsverfahren eingerichtet.
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Mit zwei Ökostromnovellen - eine "kleine" im März (vorgesehen ist die Möglichkeit, Photovoltaikanlagen auf Mehrfamilienhäusern zu errichten sowie die Verlängerung von Windprojekten; auch soll es mehr Geld für den Ausbau von Kleinwasserkraftanlagen geben) und eine "große" im Dezember 2017 (u.a. transparente Ausschreibungen, "Kostendeckel" für die Ökostromförderung) - soll der Ausbau erneuerbarer Energien gefördert werden. Im Sommer will man sich auf eine gemeinsame integrierte Energie- und Klimastrategie beschließen. Ähnlich vage findet sich der Bereich Lebensmittel im Paket: Bei der anstehenden Novelle in Umsetzung einer EU-Vergaberichtlinie ist das Bestbieterprinzip für alle Lebensmittel vorzusehen, heißt es lediglich. Der Ministerrat soll sich im Mai 2017 damit befassen.
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Im Kapitel "Sicherheit und Integration" findet sich die Schaffung eines eigenen Straftatbestands gegen die Gründung von oder der führenden Betätigung in "Staatsfeindlichen Bewegungen". Konkret erwähnt werden die Freemen-Bewegung und One People’s Public Trust. Bei tätlichen Angriffen gegen öffentlich Bedienstete soll es höhere Strafen geben, ebenso bei sexueller Belästigung in Gruppen. Geplanter Ministerrat: April 2017 Eingeführt werden weiters die Registrierung von Wertkartenhandys, der Ausbau der Videoüberwachung und die Einführung eines elektronischen Kennzeichenerfassungssystems der Asfinag. Ebenfalls ermöglicht werden soll die akustische Überwachung im Auto. Geplante gesetzliche Anpassungen: bis Juni 2017
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Bei Rückkehrern aus dem Jihad ("Gefährder") soll, sofern keine U-Haft möglich ist, die elektronische Fußfessel eingesetzt werden - entschieden werden soll das durch Gerichte. Die Überwachung internetbasierter Kommunikation soll ermöglicht werden, sodass es Kriminellen nicht mehr möglich ist, durch Skype, WhatsApp und dergleichen jegliche Überwachungsmöglichkeit zur verhindern. Telekommunikationsanbieter sollen verpflichtet werden, nach staatsanwaltschaftlicher Anordnung Daten bis zu 12 Monate zu speichern. Geplante gesetzliche Anpassungen: bis Juni 2017
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Das neue Integrationsgesetz soll einen "einheitlichen Integrationsbegriff" definieren. Ein Integrationsvertrag und eine Werteerklärung inklusive strenger Sanktionen bei Verstößen wird angekündigt, ebenso werden salafistische Verteil- und Rekrutierungsaktionen explizit verboten. Festgehalten ist weiters ein Vollverschleierungsverbot im öffentlichen Raum. Uniformierte Exekutivbeamte, Richter, Staatsanwälte haben das Neutralitätsgebot zu wahren - letzteres soll noch mit den Religionsgemeinschaften entwickelt werden. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP), betonte Kanzler Christian Kern (SPÖ), bewusst "nicht von einem Kopftuchverbot" sprechen zu wollen. Asylberechtigte, Asylwerber mit hoherBleibewahrscheinlichkeit sowie subsidiär Schutzberechtigte werden zu einem Integrationsjahr verpflichtet. Es beinhaltet Deutsch- und Wertekurse sowie gemeinnützige Tätigkeit bei Zivildienstträgern. Wird die Teilnahme verweigert, werden Sozialleistungen gestrichen. Geplanter Ministerrat: Ende März 2017
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Die Migration nach Österreich soll "gedämpft" werden, heißt es auf Seite 27 des rot-schwarzen Paktes. Auf eine halbierte Obergrenze - wie zuletzt von der ÖVP gefordert - legt man sich aber nicht fest. Vielmehr wird festgehalten: "Die Bundesregierung wird die Zahl der in Österreich ankommenden und rechtswidrig aufhältigen Migranten massiv reduzieren." Die Grenzkontrollen werden intensiviert. Auch der Assistenzeinsatz des Bundesheeres zum Grenzschutz wird ausgebaut, unter anderem durch verstärkte Überwachung der grünen Grenze und Unterstützung bei der Registrierung Zurückweisung von Fremden. Geplanter Ministerrat: Ende März 2017
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"Für die Durchsetzung einer neu zu fassenden Ausreiseanhaltung" werden "Rückkehreinrichtungen sowie Rückkehrzentren" eingerichtet. Mit der Unterbringung in solchen Quartieren geht die Verhängung einer Gebietsbeschränkung einher. Eine Unterbringung in einem Rückkehrzentrum mit Bewegungsbeschränkung im Rahmen der Ausreiseanhaltung erfolgt, wenn eine Person die Behörden über ihre Identität bewusst getäuscht hat oder sie sich rechtswidrig hier aufhält. Solche Rückkehrzentren sind geschlossene Einrichtungen, bei denen eine jederzeitige Ausreise möglich ist, eine Bewegungsfreiheit in Österreich besteht hingegen nicht mehr. Es gibt nur noch Sach- und keine Geldleistungen mehr. Es erfolgt eine intensive Rückkehrberatung sowie Unterstützung bei der jederzeit möglichen freiwilligen Ausreise. Sowie die zwangsweise Abschiebung möglich ist, wird diese im Rahmen der Schubhaft umgehend durchgesetzt. Die Dauer der Schubhaft wird auf 18 Monate verlängert. Ebenfalls im Kapitel "Sicherheit und Integration": In Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen sowie von Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern ist bei Neubestellungen eine Frauenquote von 30 Prozent einzuhalten. Geplanter Ministerrat: Ende März 2017
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Das letzte Kapitel des Regierungsprogramms nennt sich "Staat und Gesellschaft modernisieren". Hier geht es vor allem darum, die derzeit herrschende "Regelungsflut einzudämmen". Erreicht werden soll das mithilfe eines noch zu erlassenden Grundsatzgesetzes, das u.a. ein sogenanntes „One in-One out“ für Gesetze und Förderungen enthalten soll (Wird eine neue Regulierung/Förderung eingeführt, soll eine alte aufgehoben werden) sowie die „Sunset Clause“ (neue Regulierungen sollen nur für befristete Zeiträume erlassenw erden). Geplanter Ministerrat: Februar 2017
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Die Regierung will weiters Zuständigkeiten bündeln: Anstelle von Grundsatzgesetzen des Bundes, denen neun Landesgesetze folgen, sollen klare und einheitliche Zuständigkeiten bestehen .- konkret genannt wird hier das Elektrizitätsrecht, das Armen-, das Gesundheitswesen und das Landarbeiterrecht sowie der Jugendschutz. Geplante Treffen der Arbeitsgruppe: Februar/März 2017 Auf ein neues Wahlrecht konnte man sich nicht einigen. Es soll weiterentwickelt werden, heißt es lediglich – und zwar mithilfe einer Enquete unter Beiziehung von Experten. Erwartete Ergebnisse bis Juli 2017
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