Berlin: Die Love Parade als Straßenfest

Auch die Love Parade war eine Demonstration – bis ein Gericht anders entschied.
Auch die Love Parade war eine Demonstration – bis ein Gericht anders entschied.(c) Michael Urban / Reuters
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In der Hauptstadt darf fast überall demonstriert werden. Man muss dabei allerdings eine politische Meinung kundtun. Dabei ist jedoch auch Spaß erlaubt.

Berlin. Wann eine Versammlung vor dem Gesetz eine Versammlung ist? Diese Frage stellt sich auch in Berlin. Das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, ist zwar im deutschen Grundgesetz und in der Berliner Verfassung geschützt. Eine Definition sucht man dort aber vergeblich.

Erst das Bundesverfassungsgericht hat den Versammlungsbegriff im Jahr 2001 als „eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung“ definiert.

Spaß-Demos sind also auch in Berlin nicht erlaubt. „Das heißt, sie dürfen schon Spaß machen, müssen aber eine politische Meinung rüberbringen“, erklärt die Senatsverwaltung für Inneres.

Auf die Love Parade, die ursprünglich als Versammlung angemeldet war, traf das nicht zu. Im Jahr 2001 kam das Bundesverfassungsgericht zum Schluss, dass es sich um eine „auf Spaß ausgerichtete Massenparty“ handelt. Danach lief die Love Parade nicht mehr unter Demo, sondern unter Straßenfest. In Berlin fand sie 2006 zum letzten Mal statt, seit 2010 gibt es sie gar nicht mehr.

Pro Jahr finden in der deutschen Hauptstadt etwa 5000 Demos statt. Eine Genehmigung ist nicht erforderlich, das Gesetz sieht nur eine Anmeldepflicht spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe vor. Für Spotanversammlungen, also solche, die sich augenblicklich bilden, gilt das nicht.

Bannmeile um Bundestag

Demonstriert werden darf grundsätzlich überall, wobei es allerdings drei Einschränkungen gibt:

Erstens: Der parlamentarische Betrieb im Bundestag, im Bundesrat und im Berliner Abgeordnetenhaus darf (wie auch in Wien) nicht gestört werden. Es könnte ja versucht werden, mit einer Demo Einfluss auf das Stimmverhalten der Abgeordneten zu nehmen. Um das auszuschließen, gibt es während der Sitzungen eine Bannmeile rund um das jeweilige Gebäude (im Falle des Bundestages spricht das Gesetz von einem befriedeten Bezirk).

Zweitens: An bestimmten Orten ist auf die Würde der Opfer Rücksicht zu nehmen. So ist beim Denkmal der ermordeten Juden zum Beispiel eine rechte Demo untersagt.

Drittens: Allen Glaubensgemeinschaften steht das Recht auf ungestörte Religionsausübung zu. Das muss beachtet werden, wenn der Demo-Zug etwa an einer Kirche vorbeiführt.

Das Versammlungsgesetz, also das Regelwerk, mit dem das Grundrecht gewährleistet wird, können die deutschen Bundesländer seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 selbst gestalten. Berlin stützt sich aber nach wie vor auf das alte Bundesgesetz.

Darin steht, dass Waffen verboten sind. Dass man sich nicht vermummen darf. Dass Uniformen zur Darstellung einer politischen Gesinnung nicht getragen werden dürfen (Jugendorganisationen wie die Pfadfinder sind ausgenommen). Und dass der Veranstalter mit Sanktionen zu rechnen hat, wenn er sich nicht an die Regeln hält. Das können Geldbußen sein. Oder, im äußersten Fall, Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2017)

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