Die eingebrannte Botschaft

Das Ringen um eine neue Kärntner Landesverfassung ist zu einer Farce geworden. Eine Chance ist damit verspielt worden.

Dass ein Land sich eine neue Verfassung gibt, ist ein bedeutungsvoller Akt. Die meisten europäischen Verfassungen sind aus den Trümmern des Zweiten Weltkrieges entstanden, um einen Aufbruch zu signalisieren. Das Land Kärnten ist, nach den Gräben der Haider-Ära, zu einem bescheideneren, aber nichtsdestotrotz herausfordernden Ziel aufgebrochen. Die Koalition aus SPÖ, ÖVP und Grünen hat – seit der Beilegung des Ortstafelstreits 2011 – ein neues politisches Klima gestiftet, in dem auch eine neue, zukunftsorientierte Landesverfassung denkbar wurde.

Die Farce um die „deutsch- und slowenischsprachigen Landsleute“ verrät zugleich, dass der große Wurf auf eine Weise angegangen wurde, die Landesfremde gern als „kärntnerisch“ beschreiben – eher beiläufig, quasi von hinten in den Text geschmuggelt.

Der gestrichene Passus stand nicht in einer feierlichen Präambel, sondern recht unschuldig im Kontext mit der „Fürsorge“, die – no na ned – den „deutsch- und slowenischsprachigen Landsleuten gleichermaßen“ zugutekommen sollte. Seine Brisanz entfaltet der Satz erst vor dem Hintergrund, dass in der alten Landesverfassung das Wort „slowenisch“ gar nicht vorkommt. So wäre es ein mutiger Schritt nach vorn gewesen, der vom Veto des Kärntner ÖVP-Obmanns aber energisch mit der absurden Begründung gestoppt wurde, dass die gleichberechtigte Nennung das Land spalte.

Abgesondert vom Kärnten-Wir

Allein, dass eine solche Argumentation obsiegen kann, lässt frösteln. Wer eine bereits ausgestreckte Hand zurückzieht, braucht danach auch keinen Finger mehr zu reichen. Dies ist, bei Anerkennung guten Willens, das Dilemma des Kompromisses vom vergangenen Freitag. Denn die Botschaft bleibt ihm eingebrannt: Wir – die pauschal vereinnahmten Deutschkärntner – wollen nicht in einem Atemzug mit euch Slowenen genannt werden, wir wollen nicht, dass die Idee von „Landsleuten“ zwei Sprachen umfasst.

Dass als Ersatz die slowenische „Volksgruppe“ mit Verweis auf die Bundesverfassung genannt wird, ist ein zweischneidiger Gewinn. „Volksgruppe“ ist im internationalen Recht ein starker Begriff, gesellschaftspolitisch aber problematisch: „Volksgruppe“ ist nicht „Volk“, ist eine fremde Gruppe im „eigenen“ Staat. Der Begriff anerkennt die Präsenz der slowenischen Bevölkerung, markiert aber ihr Anderssein im Sinne einer nicht fraglosen Zugehörigkeit: Sie ist nicht aufgenommen ins gemeinsame Kärnten-Wir. Sie ist – wohlwollend – eine Bereicherung, weniger wohlwollend ein Fremdkörper, abgesondert vom deutschsprachigen Kärnten. Da schlägt jener Nationalismus durch, der mit dem Nationalstaat die überall in Europa gegebene Mehrsprachigkeit verleugnet und verdrängt hat zugunsten der einfachen Formel „eine Nation, eine Sprache“.

Der Kärntner Reichtum liegt darin, dass es hier – wie in anderen Mehrheits-Minderheiten-Räumen – Erfahrungen, Erprobungen, Konfliktaustragungen mit gegebener Mehrsprachigkeit und Plurikulturalität gibt, von denen Europas Nationalstaaten lernen könnten. Die eine Landessprache ist banal – die zwei Kärntner Landessprachen wären etwas Besonderes.

Hans Karl Peterlini (*1961 in Bozen) ist seit 2014 Universitätsprofessor für Erziehungswissenschaft und Interkulturelle Bildung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2017)

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