Syrien und Traiskirchen in Wien

WIENER FESTWOCHEN - PROGRAMM 2017: ZIERHOFER-KIN
WIENER FESTWOCHEN - PROGRAMM 2017: ZIERHOFER-KIN(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Der neue Intendant Tomas Zierhofer-Kin hat sein erstes Programm vorgestellt. Mit einem Performeum, einer Akademie des Vergessens und einigen brisanten Themen.

Kein Shakespeare und kein Tschechow heuer. Kein Castorf, kein Marthaler. Aber doch ein paar bei den Festwochen bewährte Namen: Peter Brook etwa – mit einem Destillat aus dem indischen Epos „Mahabharata“ – oder Romeo Castellucci.

Es ist nicht alles anders bei den ersten Festwochen von Tomas Zierhofer-Kin. Aber doch einiges. Das bisher von Konzerthaus oder Musikverein organisierte Musikfest, das schon lange nicht mehr wirklich in die Festwochen integriert ist, ist erstmals gar nicht mehr dabei. Er wolle keine Eulen nach Athen tragen, sagt Zierhofer: Die Festwochen sollen bringen, was sonst in Wien fehlt. In diesem Sinn ist die Liste an Theaterproduktionen kürzer als früher. Einiges klingt brisant: Der syrische Dramatiker Mohammad Al Attar zeigt den Krieg in seiner Heimat von einem Krankenzimmer aus; Santiago Sierra lässt die Namen aller Menschen vorlesen, die zwischen 2011 und 2016 in Syrien gefallen sind; Castellucci nennt sein aktuelles Stück „Democracy In America“; die Wiener Gruppe „Die schweigende Mehrheit“ – bekannt geworden auch dadurch, dass Identitäre ihre Aufführung von Jelineks „Schutzbefohlenen“ mit Flüchtlingen im Audi Max störten – bringt im Volkstheater „Traiskirchen. Das Musical“. Die Gruppe Saint Genet setzt einen irren König Lear in die Tragödie der Donner Party, jener Siedler, die auf ihrem Weg in den Westen 1846 im Schnee umkamen. Der slowenische Schnelldenker Slavoj Žižek spricht in der Wiener Arbeiterkammer über „The Courage of Hopelessness“.

Klassische Oper gibt es heuer gar keine. Obwohl Jonathan Meese, der sich gern als verrückter Wagnerianer stilisiert, und Komponist Bernhard Lang in „Mondparsifal Alpha“ wohl aus Wagners Werk zitieren. Aber was „Les Robots ne connaissent pas le Blues oder Die Entführung aus dem Serail“ wirklich mit Mozarts Oper zu tun hat (laut Programmheft wird diese dekonstruiert), darüber kann man jetzt nur rätseln, Komponist ist diesfalls Ted Gaier von der deutschen Punkband Die Goldenen Zitronen. Das dritte Musiktheaterstück, „Ishvara“, inszeniert der chinesische Künstler Tianzhuo Chen, es soll vom hinduistischen Epos Bhagavad Gita inspiriert und spirituell und politisch zugleich sein, so Zierhofer, der Kunst als „Tool einer Selbstermächtigung“ definiert. Seine Festwochen sollen „möglichst viele Menschen geistig verorten“.

Container am Yppenplatz

Auch an vielen neuen realen Orten, vom Simmeringer Gasometer bis zum Ottakringer Yppenplatz (dort stellt Pop-Provokateur Jimmy Cauty einen Container hin), vom Karl-Marx-Hof bis zu einem ehemaligen Fabriksgelände in Favoriten. Dort wird das Performeum errichtet, „ein temporäres Museum für performative Künste“, mit vielen afrikanischen Künstlerinnen. Dort läuft auch – nach Langem wieder – eine zentrale Festwochen-Ausstellung: „The Conundrum of Imagination“ soll postkoloniale Blicke auf die Zeit der europäischen Entdeckungen werfen.

Ebenfalls neu sind die „Akademie des Verlernens“, u. a. mit einer „Anti-Fascist Ballet School“ in der Lugner City, und das politische aufgeladene Clubfestival „Hyperreality“ im Schloss Neugebäude, z. B. mit Holly Herndon, laut Zierhofer eine der größten Komponistinnen unserer Zeit.

Das Budget beträgt 13 Millionen, 10,5 davon sind Subvention der Stadt Wien. 40.000 Karten werden aufgelegt, das sind weniger als bisher, etliche Events sind „niederschwellig“, kosten also keinen Eintritt. (tk)

Wiener Festwochen: 12. Mai bis 18. Juni 2017

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2017)

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