Keine Sozialleistung für EU-Bürger

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Erst nach fünf Jahren sollen EU-Bürger, die nach Österreich ziehen, Notstandshilfe und Mindestsicherung beziehen dürfen, fordert Außenminister Kurz (ÖVP). Es hagelt Kritik.

Wien. Es ist der nächste Vorstoß in einer Reihe von umstrittenen restriktiven Vorschlägen, die ein österreichisches Regierungsmitglied in Richtung EU schickt: Nach dem Beschäftigungsbonus, der einen Jobvorrang für bereits in Österreich Ansässige vorsieht, und der Indexierung der Familienbeihilfe, durch die im billigeren EU-Ausland lebende Kinder weniger Geld erhalten sollen, schlägt Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) nun eine Einschränkung der Sozialleistungen für EU-Bürger, die in Österreich leben, vor. In den ersten fünf Jahren sollen weder Mindestsicherung noch Notstandshilfe an neu zugezogene Personen aus anderen EU-Staaten ausbezahlt werden.

„Die Freiheit, überall arbeiten zu dürfen, darf nicht mit der Freiheit verwechselt werden, sich das beste Sozialsystem aussuchen zu dürfen“, sagte Kurz in der gestrigen ORF-„Pressestunde“. Österreich könne als Einwanderungsland kein völlig offenes Sozialsystem haben. Derzeit sei dieses „wahnsinnig attraktiv“, aber nicht leistbar, so Kurz. Als Prinzip müsse künftig gelten: Herausnehmen dürfen nur die Menschen, die vorher in das System einbezahlt habe. Über die Fünf-Jahresgrenze könne man noch diskutieren.

Sein Vorstoß, so Kurz, rüttle nicht an der Personenfreizügigkeit. Im Zuge des Brexit müsse man sich über diese Einschränkungen Gedanken machen. Es werde in der EU „hoffentlich mehr in Richtung Subsidiarität gehen“ und „nicht in Richtung Sozialunion“. Er werde sich bemühen, das zu verhindern, so der Minister. Auch die Kürzung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder sieht Kurz, trotz europarechtlicher Bedenken, nicht auf dünnem Eis.

„Wieder einmal übliche Sprechblasen“

Für seine Forderungen erntete der Außen- und Integrationsminister im Laufe des gestrigen Tages viel Kritik. Auch vom Koalitionspartner. Kurz zeige, so SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder, „seine Qualitäten im Anreißen von Überschriften, sobald es aber um die Sorgen und Interessen der Österreicher geht, wird der Außenminister sehr leise“.

Ähnlich kritisch reagierte die FPÖ. Kurz produziere „wieder einmal die üblichen Sprechblasen, ob er jemals vom Ankündigungs- in den Umsetzungsmodus kommt, ist mehr als zweifelhaft“, sagte der freiheitliche Europaabgeordnete Harald Vilimsky. Grünen-Chefin Eva Glawischnig sah den Außenminister wiederum „schrittweise die Positionen der FPÖ“ übernehmen. Die Absage an eine Sozialunion sei ein „Armutszeugnis für einen Europaminister“. Kurz gefährde mit seinem Kurs des Rückzugs ins Nationalstaatliche die Rolle Österreichs in Europa. Sorgen um die Europa-Linie machten sich auch die NEOS.

Kurz gegen „Multikultiträumereien“

Zu kämpfen hat der Außenminister auch an anderen Fronten. Beim Integrationsgesetz ist es zwischen SPÖ und ÖVP nämlich – trotz grundsätzlicher Einigung – wieder zu Diskussionen gekommen. „Ich würde mir wünschen, dass man dazu steht, was vereinbart war“, sagt Kurz in Richtung SPÖ. Die Volkspartei warf dem Koalitionspartner bereits am Samstag vor, von wesentlichen Punkten des Gesetzes wieder abgerückt zu sein. So habe die SPÖ ihre Zustimmung zum Vollverschleierungsverbot wieder zurückgezogen und stehe nicht mehr hinter den Sanktionen, die bei einer Nichtteilnahme an Deutschkursen vereinbart wurden. Die SPÖ wies das zurück. Es gehe um legistische Feinheiten. Die Gesetzestexte wurden in der Begutachtung auch von vielen anderen Seiten kritisiert. Der Integrationsminister sieht das Gesetz dennoch gelungen. Es brauche eben Verbote von „Symbolen der Gegengesellschaft“, sagt Kurz und sprach sich gegen „Multikultiträumereien“ aus.

Über seine eigene Zukunft wollte Kurz nicht viel preisgeben. Spekulationen darüber, dass er bald ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner nachfolgen könnte, wies er zurück: Er habe einen Job, der ihm „extrem viel Freude“ macht. Dann kam aber ein Nachsatz: „Das kann morgen anders sein. Aber im Moment macht er mir Freude.“ (j. n.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2017)

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