Mit Nietzsches Rat auf dem Rad
Es gibt viele Gründe, sich auf ein Fahrrad zu setzen: um ins Büro oder nach Hause zu kommen, um Natur zu erleben, um schneller als andere zu sein oder um einfach nur Bewegung zu machen. Es gibt aber auch Gründe, die einen daran hindern. Zum Beispiel kann man auch einmal einfach genug davon haben. Dann kann es eine feine Alternative sein, statt eines Fahrrades ein Buch über das Radfahren zur Hand zu nehmen. Ein nettes Exemplar dieser Sorte ist jetzt bei Suhrkamp neu aufgelegt worden: „Philosophie des Radfahrens“. Autorinnen und Autoren vor allem aus den USA, aber auch aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Großbritannien, Island und Kanada reflektieren darin das Radfahren. Teils auch beruflich als Philosophen tätig, schreiben sie über Radlegenden wie Eddy Merckx, Bergetappen der Tour de France, über Demonstrieren fürs Radfahren oder über die Veränderung des Radsports durch die Tatsache, dass mehr und mehr Frauen sich daran beteiligen.
Durchwegs klingen eigene Erfahrungen durch. Oder dominieren sogar, wie bei Robert H. Haraldsson, Philosophieprofessor an der Universität von Island. Er beschreibt, wie er es sich angewöhnt – und es dabei lieben gelernt – hat, in Reykjavik zur Arbeit und retour zu radeln. Er habe, schreibt Haraldsson, bemerkt, dass sich die Einstellung, was gutes Wetter ist und was schlechtes, schleichend ändert, und dass man sich an gemeinhin als schlecht empfundenes Wetter gewöhnt. Außerdem passe das Radfahren sehr gut zu seinem Beruf, weil es helfe, die Gedanken zu ordnen, Kleinzeug am Wegesrand liegen zu lassen. Und: Er habe begonnen, Nietzsches Rat zu verstehen, wonach man keinem Gedanken Glauben schenken solle, der nicht im Freien bei freier Bewegung geboren sei und bei dem nicht „auch die Muskeln ein Fest feiern“.