Die Tücken der Kindergeldreform

Neue Berechnungen und Fristen des Kinderbetreuungsgeldes haben einige Eltern überrascht.
Neue Berechnungen und Fristen des Kinderbetreuungsgeldes haben einige Eltern überrascht.(c) REUTERS (Stringer)
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Kein Wochengeld, kein einkommensabhängiges Kindergeld: Für Eltern, die in kurzen Abständen Nachwuchs bekommen, kann die Reform in der Übergangszeit Nachteile bringen.

Wien. Birgit G. hatte ihre Karenzzeit eigentlich genau geplant und organisiert: Im Jänner 2016 wurde ihr erstes Kind geboren, das zweite soll im November 2017 zur Welt kommen. Im Herbst gab die Frau ihrem Arbeitgeber Bescheid, dass sie ihre Karenz verlängern möchte. Auch von der Gebietskrankenkassa bekam sie grünes Licht: Das einkommensabhängige Kindergeld stehe ihr auch nach der zweiten Geburt zu.

Nun muss Birgit G. allerdings feststellen: Das stimmt nicht. Und nicht nur das – auch der Anspruch auf Wochengeld entfällt. Insgesamt, so rechnet die werdende Mutter vor, könnte sie insgesamt um mehr als 14.000 Euro weniger erhalten als geplant. Die Frau ist kein Einzelfall: Schon vor einigen Wochen wurde publik, dass die Kindergeldreform auch Nachteile bringen kann. Daraufhin meldeten sich einige Betroffene: Denn Eltern, die in kurzen Abständen Nachwuchs bekommen, erhalten in einigen Fällen viel weniger Geld als erwartet.

Doch was ist das Problem? Prinzipiell gilt: Seit März 2017 ist das neue Kinderbetreuungsgeld in Kraft. Statt der bisher vier Pauschalmodelle gibt es nun ein einziges Konto, bei dem 15.449 Euro in einem zeitlich flexibleren Rahmen abgerufen werden können. Das einkommensabhängige Kindergeld (maximal rund 2000 Euro monatlich) bleibt prinzipiell weiterhin bestehen. Dennoch gibt es einige Änderungen bei den Berechnungen.

Neue Berechnung

Kurz zur Erklärung: Da Schwangere acht Wochen vor dem berechneten Geburtstermin nicht arbeiten dürfen, wird in diesem Zeitraum das Wochengeld ausbezahlt. Genauso in den acht Wochen nach der Entbindung – bei einer Früh- oder Mehrlingsgeburt sowie bei einem Kaiserschnitt verlängert sich diese Frist um vier Wochen.

Bei unselbstständig Erwerbstätigen wird der Betrag gemäß dem Nettoeinkommen der letzten drei Monate berechnet. Das Wochengeld kann auch herangezogen werden, um das einkommensabhängige Kindergeld zu kalkulieren. Eine andere Möglichkeit ist, das vergangene Einkommen der werdenden Mutter zu berechnen. Der Berechnungszeitraum wurde hier allerdings von den drei Jahren vor der Geburt auf ein Jahr verkürzt.

Und hier findet sich schon das erste Problem. Um bei Birgit G. zu bleiben: Obwohl ihr vor der Reform etwas anderes zugesagt wurde, erhält sie für das zweite Kind kein Wochengeld. Sie bleibt zwischen den beiden Geburten in Karenz und arbeitet nicht, wie vorgeschrieben, für sechs Monate vor der Geburt. Da sie aber kein Wochengeld bezieht, kann sich ihr einkommensabhängiges Kindergeld nicht darauf beziehen.

Da gleichzeitig der Berechnungszeitraum verkürzt wurde, kann aber auch nicht mehr das Gehalt der Betroffenen vor der Geburt des ersten Kindes herangezogen werden. Da sie seit einigen Wochen kein Kinderbetreuungsgeld für den Nachwuchs mehr erhält, hat sie eine geringe Berechnungsgrundlage.

Was Birgit G. allerdings zusätzlich ärgert: Dass man sie nicht über die Änderungen informiert habe. Immer wieder habe sie bei der Krankenkassa nachgefragt, aber keine detaillierte Auskunft erhalten. Das Familienministerium hätte Betroffene informieren sollen oder zumindest auf der Homepage klarere Auskünfte erteilen.

Im Ministerium selbst verteidigt man die Reform: Es könne nicht sein, dass jemand, der zwischen den Geburten nicht arbeitet, wieder das einkommensabhängige Kindergeld beziehen darf: „Das halten wir für nicht fair.“ Das einkommensabhängige Modell sei dafür konzipiert worden, dass die Mütter wieder rasch ins Erwerbsleben einsteigen. Dafür würden Frauen direkt nach der Geburt Kindergeld erhalten – nicht erst nach acht Wochen.

Die grüne Abgeordnete Judith Schwentner fordert eine Übergangsfrist für Betroffene: „Es wurde versprochen, dass das neue System übersichtlicher wird.“ Das sei nicht der Fall. Den Frauen, die über die Reform nicht im Detail informiert wurden, müsse man daher helfen.

AUF EINEN BLICK

Die Kindergeldreform ist am 1. März 2017 in Kraft getreten. Neben der einkommensabhängigen Variante gibt es nun ein Kindergeldkonto anstelle der vier Pauschalmodelle. 15.449 Euro pro Kind können flexibel zwischen zwölf und 28 Monaten für einen Elternteil bzw. rund 15,5 und 35 Monaten für beide Eltern abgerufen werden. Für Väter (und gleichgeschlechtliche Partner) gibt es einen Monat Familienzeit nach der Geburt, aber ohne Rechtsanspruch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2017)

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