Gastkommentar

Doppelstaatsbürger: Was das Gesetz sagt

Dass man ohne Wissen ein Staatsbürger der Türkei und Österreichs sein kann, ist eine reine Schutzbehauptung.

Sowohl die Anmutung, man solle Tausenden Türken aufgrund vermuteter Doppelstaatsbürgerschaft die österreichische Staatsbürgerschaft entziehen, als auch die Feststellung, es handle sich um eine sensible Angelegenheit, die man durch Kulanzregelungen und Verfolgungsverzicht meistern solle, zeugen von eigenartiger Rechtsferne und demokratiepolitischer Verwahrlosung.

Dem Vernehmen nach hat eine Reihe von Türken die türkische Staatsbürgerschaft zurückgelegt, hat sodann die österreichische erworben, um danach neuerlich die türkische anzunehmen. Hierzu ist im §27 Abs. 1 StbG klar geregelt, dass die Staatsbürgerschaft verliert, wer aufgrund seines Antrags oder seiner Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft (explizit) bewilligt worden ist.

Anders verhält es sich, wenn die türkische Staatsbürgerschaft beibehalten und trotzdem die österreichische verliehen wurde. In diesem Fall ist einem österreichischen Staatsbürger die Staatsbürgerschaft gem. § 34 Abs. 1 StbG nur dann zu entziehen, wenn sie vor mehr als zwei Jahren verliehen und eine fremde Staatsangehörigkeit beibehalten wurde. Nach Ablauf von sechs Jahren ab Verleihung ist die Entziehung nicht mehr zulässig.

Unerhebliche Mutmaßungen

Allerdings hat eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs 1 Z iff1 AVG von Amts wegen zu erfolgen. Dies ist dann vorgesehen, wenn der Bescheid zur Verleihung der Staatsbürgerschaft durch Urkundenfälschung, durch falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen wurde.

Mutmaßungen zur Authentizität der Listen, in denen 45.000 Türken mit Geburtsdatum vor 1997 mit illegaler türkisch-österreichischer Doppelstaatsbürgerschaft ausgewiesen werden, sind unerheblich. Hinreichender Anhaltspunkt für die amtswegige Einleitung eines Wiederaufnahmeverfahrens zur Entziehung der Staatsbürgerschaft ist das Vorliegen einer persönlichen Identifikationsnummer, welche die türkischen Behörden ihren Staatsbürgern zuordnet.

Reine Schutzbehauptung

Dass man ohne Wissen Doppelstaatsbürger sein kann, ist eine reine Schutzbehauptung. Alle Eingebürgerten werden entsprechend informiert. Voraussetzung der Verleihung einer Staatsbürgerschaft ist ohnehin die Beherrschung der deutschen Sprache.

Auch die Rede von der Handlungsunfähigkeit der Staatsbürgerschaftsbehörden angesichts „verdeckter Doppelstaatsbürgerschaften“ ist ein Märchen: Wird ein Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet, kann mangels Mitwirkung einer Partei ein Indizienbeweis dem Entziehungsbescheid zugrunde gelegt werden.

Man muss überdies fragen, ob jenen eingebürgerten Österreichern, die als (religiöse) Funktionäre und Vertreter von aus der Türkei finanzierten Lobbygruppen die Integrationspolitik gegenüber türkischen Immigranten erfolgreich ramponiert haben, die Staatsbürgerschaft entzogen werden sollte. Heißt es doch in § 32 Abs 1 StbG, dass einem Staatsbürger, der im Dienst eines fremden Staates steht, die Staatsbürgerschaft zu entziehen ist, wenn er durch sein Verhalten die Interessen oder das Ansehen der Republik erheblich schädigt.

Beteiligen sich österreichische Staatsbürger aus eigenem Antrieb an einem Referendum zur Abschaffung der Demokratie in der Türkei und stimmen mit 73,2 Prozent für ein Ja, so stellt sich die berechtigte Frage, was diese Immigranten als Staatsbürger in dieser demokratischen Republik überhaupt wollen.

Nikolaus Dimmel forscht und lehrt am Fachbereich Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2017)

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