Nostalgie in der Ukraine: Der „alte Herr“ ist wieder da

Ein Kaiserdenkmal im Stadtpark von Czernowitz.

Seit Oktober hat die einstige österreichische Stadt Czernowitz (heute Ukraine) den alten Kaiser Franz Joseph wieder: in Form eines Denkmals. Treibende Kraft war der aus Czernowitz stammende Exaußenminister und spätere Parlamentspräsident der Ukraine, Arsenij Jazenjuk. Zu dem Stadtfest kamen Österreichs Botschafter Josef Wuketich, der Bürgermeister Mykola Fedoruk und Arsenij Jazenjuk, der Stifter des Bronzedenkmals, das von zwei Lemberger Künstlern geschaffen wurde.

Bürgermeister Fedoruk hob hervor, dass während der Regierungszeit des vorletzten österreichischen Kaisers Czernowitz als urbanes und kulturelles Zentrum mit einer überregionalen Bedeutung entstand. Die gesamte Infrastruktur wurde damals geschaffen. So wurde 1875 eine Universität mit deutscher Unterrichtssprache gegründet. Sie besaß eine Bibliothek mit 50.000 Bänden, 1892/1893 unterrichteten vierzig Professoren 281 Studierende. Kirchen und Synagogen wurden errichtet, ein Obergymnasium, eine Oberrealschule, eine Staatsgewerbeschule, Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt und eine landwirtschaftliche Lehranstalt gegründet. Es war die Blütezeit von Czernowitz – für Deutsche, Ukrainer, Rumänen, Polen, Ruthenen und Juden.

Jazenjuk betonte, dass dieses Denkmal – fern von nostalgischem Monarchismus – daran erinnern möge, dass die Ukraine eine stolze Geschichte habe, auch als Bestandteil anderer Reiche. Man wolle im osteuropäischen Raum eine „führende Rolle“ spielen.

1774 wurde die Bukowina von Österreich besetzt und 1775 offiziell Teil der Habsburgermonarchie, 1918 kam sie zu Polen. Nach einem Monat von Rumänien annektiert, hieß die Stadt nun Cern?u?i. 1940 besetzte die UdSSR das Gebiet, von 1941 bis 1944 war es wieder rumänisch, dann bis 1991 neuerlich sowjetisch. Seit 1991 ist die Stadt (nun Tscherniwzi) ukrainisch. hws

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2009)

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