Bakterien wirken als Recyclinghelfer für Rohstoffe

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Symbolbild. (c) imago/Westend61 (Spectral)
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Winzige Mikroorganismen könnten künftig helfen, wertvolle Metalle aus Müll zurückzugewinnen. Mit neuen Methoden gelingt es Linzer Forschern bereits, aus Aschen Aluminium, Kupfer oder Zink herauszulösen.

Blut ist es nicht, das dem Rio Tinto im Südwesten Spaniens seine unnatürlich wirkende Farbe beschert. Vielmehr ist der „rote Fluss“ das Resultat von Mikroorganismen, die vor allem Eisen- und Kupferverbindungen aus den Erzvorkommen der Region herauslösen und das Gewässer über den Regen auf ganz natürliche Art mit Schwermetall-Ionen und Schwefelsäure vergiften. Schon seit Tausenden von Jahren lässt sich der Mensch bei der Rohstoffgewinnung von Bakterien der Gattung Acidithiobacillus unter die Arme greifen.

„Zehn bis zwanzig Prozent der Welt-Kupferproduktion werden über den Prozess des Biomining (Bio-Bergbau) gewonnen“, erklärt Wolfgang Schnitzhofer vom Linzer Sitz des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (Acib). Klassischerweise schüttet man dazu das Erz auf gigantische Halden und lässt eine Nährlösung mit den Bakterien darüberlaufen. Diese oxidieren das Metall, es bildet sich Säure, die wiederum das Erz in einem Jahre dauernden Prozess auflöst. Das Kupfer muss nun nur noch aus der aufgefangenen Flüssigkeit ausgefällt oder elektro-chemisch abgeschieden werden.

Mehr Metall als Primärerz

Der Gedanke liegt nahe, diese Variante der Biolaugung nicht nur für die Primärrohstoffgewinnung einzusetzen, sondern auch zu Recyclingzwecken. Zum Beispiel für die 531.000 Tonnen Schlacken und 124.000 Tonnen Aschen aus Österreichs Müllverbrennungsanlagen, die laut Acib bislang allesamt ungenutzt auf der Deponie landen. Dabei können diese je nach Ausgangsmaterial sogar höhere Metallkonzentrationen enthalten als ein Primärerz. Vor dem Hintergrund des globalen Rohstoffhungers mit all seinen politischen, sozialen und Umweltauswirkungen schreit das nach Lösungen.

„Es gibt eine Tendenz, Rohstoffe aus Abfall zu gewinnen“, stellt Schnitzhofer fest. „Allerdings sind die Metallgehalte darin meist wesentlich niedriger und in eine viel kompliziertere Matrix eingebunden. Die Zusammensetzung variiert sehr stark, je nachdem, was die Leute wegschmeißen.“

Seit rund einem Jahr und noch bis Mai 2019 erforschen Schnitzhofer und sein Team im vom Technologieministerium geförderten Projekt Green Recovery of Metals eben jene „grüne Rückgewinnung von Metallen“. „Extrem interessant sind zum Beispiel bestimmte Fraktionen, die beim Recycling von Elektroschrott oder Altautos anfallen und bislang nicht mehr weiterbehandelt werden.“

Derzeit geht es vor allem darum, die Bakterienzusammensetzung zu optimieren. Dazu setzen die Wissenschaftler die Einzeller nach und nach immer höheren Metallkonzentrationen aus, so dass sich die Kulturen adaptieren. „Es gibt eine ganze Palette an geeigneten Mikroorganismen. Wir arbeiten nur mit Wildtypen.“ Misch- und Co-Kulturen aus mehreren verschiedenen Stämmen hätten sich als robuster und anpassungsfähiger erwiesen.

In Versuchen konnten die Forscher zeigen, dass die Bakterien bis zu 90 Prozent der Zielmetalle wie Aluminium, Kupfer oder Zink aus Aschen herauslösen. Im Gegensatz zum konventionellen Verfahren mit starken Säuren, das etwa im E-Schrott-Recycling eingesetzt wird, benötigt die Biolaugung weniger Energie und Betriebsmittel. Zudem nutzen die Bakterien das Kohlenstoffdioxid aus der Luft als Kohlenstoffquelle. Kommendes Jahr will man gemeinsam mit einem Recyclingunternehmen eine erste Pilotanlage aufbauen.

IN ZAHLEN

531.000 Tonnen Schlacken und 124.000 Tonnen Aschen bleiben als Reststoffe beim Verbrennen von Müll übrig. Sie enthalten stark variierende Anteile wertvoller Metalle.

90 Prozent der Zielmetalle Aluminium, Kupfer oder Zink lösten Bakterien im Laborversuch aus dem Müll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2017)

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