Herbe Kritik an Flüchtlingspolitik

Auch die Situation in Traiskirchen (hier im August 2015) wird von den Ex-Flüchtlingskoordinatoren kritisiert.
Auch die Situation in Traiskirchen (hier im August 2015) wird von den Ex-Flüchtlingskoordinatoren kritisiert.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Bürokratie, Missmanagement, Ignoranz: Ex-Flüchtlingskoordinatoren Konrad und Maier werfen der Politik Populismus, Opportunismus und "Unsinn" vor.

Wien. Die ehemaligen Flüchtlingskoordinatoren der Bundesregierung, Christian Konrad und Ferry Maier, üben Kritik an Österreichs Umgang mit Flüchtlingen. Politik und Verwaltung hätten am Höhepunkt der Flüchtlingskrise versagt. Und ohne das Engagement von freiwilligen Helfern und NGOs hätte der Ansturm im Chaos geendet, so der Vorwurf der beiden ehemaligen Raiffeisen-Manager.

Konrad und Maier koordinierten von August 2015 bis September 2016 Hilfsmaßnahmen und Unterbringung von Flüchtlingen in Österreich. Bürokratie, Behördenversagen, Missmanagement und Ignoranz hätten die Arbeit massiv erschwert, berichtet Maier nun in dem gemeinsam mit der ehemaligen „News“-Innenpolitik-Chefin Julia Ortner verfassten Buch „Willkommen in Österreich. Was wir für Flüchtlinge leisten können und wo Österreich versagt hat“. Vor allem das damals von Johanna Mikl-Leitner und später von Wolfgang Sobotka (beide ÖVP) geführte Innenministerium kritisiert der frühere ÖVP-Abgeordnete Maier, der sich schon zu seiner aktiven Zeit als ÖVP-Politiker mit Kritik an der eigenen Partei nie zurückgehalten hat.

„Einfache Form des Populismus“

Die dortigen Beamten seien bei zahlreichen Problemen ganz einfach passiv bis unwillig gewesen, kritisiert Maier das Innenministerium außerordentlich heftig und schreibt in dem Buch wörtlich von einer „modernen Herbergssuche“. Lob gibt es neben den freiwilligen Helfern auch für Gemeinden und Bürgermeister, die bei der Quartiersuche geholfen haben.

Konrad wiederum wirft den Verantwortlichen in der österreichischen Politik Populismus und Opportunismus vor. „Es ist eine sehr einfache Form des Populismus, zu behaupten, wenn in Österreich etwas nicht funktioniert oder die Kosten explodieren, sind die Fremden schuld. Natürlich muss man die Fakten und Zahlen sachlich überprüfen. Aber in Summe zu sagen, der österreichische Staatshaushalt kippt, weil wir jetzt so viel Grundversorgung für Asylwerber haben, ist ein Unsinn“, meint etwa Konrad in dem Buch.

Kriegsflüchtlinge kommen laut Konrad nicht wegen des Kindergelds oder sonstiger finanzieller Anreize nach Österreich, sondern weil Österreich ein friedliches Land ist. Der Christlich-Soziale nimmt auch seine politische Heimat, die ÖVP, ins Gebet. Auf die Frage, ob die Politik des neuen ÖVP-Chefs und Integrationsministers, Sebastian Kurz, sowie jene von Innenminister Wolfgang Sobotka eigentlich christlich-sozial sei, meint Konrad: „Ja, das ist eine Frage, die man sich stellen kann. Und soweit ich die beiden kenne, werden sie beide so antworten: ,Das ist christlich-soziale Politik.‘“ Nachsatz: „Es gibt andere, die haben da ihre Zweifel. Und manche Äußerungen, die da öffentlich kolportiert werden, kann ich auch nicht nachvollziehen.“ Vor allem bei der Integration gebe es noch viel Handlungsbedarf, erklärt der Ex-Flüchtlingskoordinator.

Erzählungen von Flüchtlingen

Konrad und Maier haben der Bundesregierung deshalb, nach eigenen Aussagen, auch eine gemeinsame Plattform von NGOs, Industriellenvereinigung und Wirtschaft vorgeschlagen, um die Integrationsbestrebungen von Staat, NGOs und Privaten gezielt zusammenzuführen. „Für diesen Vorschlag haben wir politisch keine Unterstützung gefunden, daher haben wir gesagt: Nein, lassen wir's“, erklärte Konrad.

Neben den Erfahrungen von Konrad und Maier als österreichische Flüchtlingskoordinatoren enthält „Willkommen in Österreich“ auch Erzählungen von Flüchtlingen, die es nach Österreich geschafft haben, sowie Interviews mit Flüchtlingshelfern und Experten. Deren Arbeitsmotto lautet in Anlehnung an den berühmten Satz der deutschen Kanzlerin, Angela Merkel: „Wir müssen das schaffen!“ (APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2017)

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