Am Herd

Neu, neu, neu!

Neu, neu, neu! Neue Gesichter, neue Namen, neue Parteien! Warum unser unersättlicher Wunsch nach Veränderung daran schuld ist, dass alles beim Alten bleibt.

So schnell kann es gehen. Die Neos haben sich umgetauft: Sie heißen jetzt „Neos – Das neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung“, und das war hoch an der Zeit, die Neos sind immerhin schon fünf, also fast im Volksschulalter, und neben einer ÖVP, die sich „Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei“ nennt und türkis glänzt, schaut das frech gemeinte Pink plötzlich angestaubt aus.

So schnell kann es gehen: Nachdem uns die Freiheitlichen jahrelang mit neuen Namen und Farben verwirrt haben, FPÖ, FPK oder BZÖ, blau oder orange, nie wusste man genau, wo da der Unterschied liegt, machen es die Grünen ihnen nach: Peter Pilz überlegt, eine eigene Liste zu gründen. Wir lieben neue Listen. Oder Bewegungen. Oder Teams. Oder Foren. Oder irgendwas. Erinnert sich eigentlich noch jemand an „Die Unabhängigen“?


Wählerbeschimpfung. Nein, das hier wird keine Politikerbeschimpfung. Das wird zur Abwechslung eine Wählerbeschimpfung. Denn uns Wählern wird zu schnell fad. Das heißt: Wir sagen nicht fad. Wir sind verdrossen, das klingt besser. Wir stehen am Polit-Buffet und mäkeln herum: Nichts sieht uns an, nichts will uns so recht munden. Mittlerweile sind wir bereit, eine Partei für unwählbar zu halten, nur weil sie einen Abgeordneten nach 31 Jahren Dienst durch einen Jüngeren ersetzt.

Ob unseres unersättlichen Wunsches nach Veränderung ist die Halbwertszeit von neuen Parteien und Gesichtern natürlich gering. Christian Kern? Scheint uns schon nach einem Jahr Kanzlerschaft verbraucht. Und was Sebastian Kurz betrifft, so sind wir uns nicht einmal sicher, ob sein Erneuerer-Image bis zur Wahl anhält. Eine Wahl, auf die wir plötzlich alle Hoffnungen setzen. Aber warum eigentlich? Weil Parteien sich umbenannt oder umgefärbelt haben und weil es „neue“ Spitzenkandidaten gibt, die wir eh schon seit vielen Jahren und Jahrzehnten kennen?

Dabei wäre wahre Veränderung ganz einfach, wir haben es in der Hand. Alle könnten zum Beispiel Grün wählen. Oder die Schwarzen. Oder die Roten. Dann würde wirklich etwas passieren, dann würde die Gesamtschule kommen oder Zugangsbeschränkungen für Hochschulen, wir könnten die Sozialhilfe abschaffen oder ein Grundeinkommen einführen, alle öffentlichen Verkehrsmittel gratis machen oder neue Straßen bauen. Erbschaftssteuer? Kopftuchverbot? Ehe für alle? Kein Problem, geht ruckzuck, wir müssten uns nur einig sein.

Können wir nicht? Tun wir nicht? Wir Wähler sind einfach zu verschieden, haben unterschiedliche Interessen, Ansichten, Wertvorstellungen? Hm.

Dann müssen wir eben mit dem klarkommen, was wir haben. Eine normale Demokratie halt.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2017)

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