Noch ist unklar, ob sich der Kreml-Chef wieder der Wahl stellt. In einer unabhängigen Umfrage liegt er vorne.
Moskau/Wien. Kritische Stimmen klagen, die für 18. März 2018 geplanten Präsidentenwahlen in Russland seien eine Farce und längst entschieden. Doch mit welchen Kandidaten? Amtsinhaber Wladimir Putin hat seine Wiederkandidatur noch nicht bekannt gegeben. Auch von einem offiziellen Gegenkandidaten fehlt die Spur. Trotzdem werden im Land bereits fleißig Wahlumfragen durchgeführt. Das jüngste Meinungsbild des unabhängigen, von den russischen Behörden als „ausländischer Agent“ eingestuften Lewada-Zentrums ist aufschlussreich.
48 Prozent aller Befragten wollten im August für den derzeitigen Amtsinhaber stimmen. Zum Vergleich: Im August 2011 waren es nur 23 Prozent. Der Präsident muss am Ende seiner Amtszeit die öffentliche Meinung nicht fürchten; er hat seine Macht konsolidiert. Von jenen, die zur Wahl gehen wollen, möchten gar 60 Prozent für Putin stimmen. Oppositionspolitiker Alexej Nawalnij, dem die Behörden wohl die Kandidatur verweigern werden, kommt auf nur zwei Prozent. 30 Prozent sind noch unschlüssig, wem sie ihre Stimme geben wollen.
Besonders eine Frage aus dem Katalog des Lewada-Teams ist interessant. Die Soziologen erfanden kurzerhand einen Kandidaten namens Andrej Semjonow, der angeblich von Putin unterstützt wird. 15 Prozent wären bereit, für ihn zu stimmen, auch wenn sie ihn gar nicht zu kennen. Für die Soziologen ein Ausdruck von politischem Desinteresse – oder Konformismus: Wenn schon nicht Putin, dann zumindest „sein Kandidat“. Auch wenn es ihn gar nicht gibt. (som)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2017)