Pinke Zwischenlandung am Mond

Neos. Die Neos schaffen den Wiedereinzug in den Nationalrat. Sie bleiben allerdings unter ihren eigenen Erwartungen. Daran konnte auch der pinke Joker, Irmgard Griss, nichts ändern.

Wien. Schon ein paar Minuten vor der ersten Hochrechnung übten die Neos den Jubel. Da brodelte die Stimmung in der Neosphäre, der hippen Dachgeschoß-Location der Neos, noch. Es herrschte Zuversicht. Als der erste pinke Balken dann tatsächlich hochging, gab es zwar auch noch großen Applaus, doch schon als die Mandate verkündet wurden, ging erstmals ein Raunen durch die Menge.

Die Neos haben am gestrigen Wahltag einen Teilerfolg eingefahren. Sie bleiben mit 5,1 Prozent (vorläufige Hochrechnung) im Nationalrat und schienen auf dem erfreulichen vierten Platz zu landen. Ein starker Mandatszuwachs ist allerdings nicht absehbar. „Unterm Strich zufrieden“, zeigte sich Neos-Chef Matthias Strolz. Es sei immerhin ein „Wachstumsschritt“ gewesen.

Doch eigentlich erhoffte man sich in der Neosphäre mehr. Strolz wollte zweistellig werden. Schon am Wahltag erschien ihm das offenbar nicht mehr ganz realistisch. „Ich glaube, dass wir die Reise in Richtung Zweistelligkeit antreten. Wir zielen nach den Sternen. Aber vielleicht landen wir diesmal noch am Mond“, sagte er bereits am Sonntagvormittag als er seine Stimme in Wien-Liesing abgab.

In der Neosphäre hängt noch ein Jubelbild vom Nationalratswahlabend 2013. Damals gab es mit dem Einzug in den Nationalrat die große positive Überraschung. Die parlamentarische Arbeit haben die Pinken schnell verinnerlicht. Sie machten mit Sacharbeit auf sich aufmerksam. Das führte allerdings nicht automatisch zum Erfolg. Nur bei zwei von fünf Wahlen seit 2013 schafften sie den Einzug in den Landtag – in Wien und in Strolz' Heimat Vorarlberg.

Auch der Nationalratswahlkampf war für die Neos kein einfacher. „Wir hatten es nicht leicht“, sagt Neos-Vize-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger. Die Ausgangslage hatte sich für die Neos tatsächlich stark verändert. Mit dem Label „Bewegung“, mit dem sich die Pinken von Beginn an schmückten, gingen nun auch andere hausieren. Kaum jemand wollte noch eine traditionelle Partei sein.

Auch personell sah die Situation mittlerweile anders aus als noch vor vier Jahren. Mit SPÖ-Parteichef Christian Kern und ÖVP-Obmann Sebastian Kurz standen Neos-Chef Matthias Strolz diesmal keine altgedienten Politiker, sondern neue Hoffnungsträger gegenüber. Das machte es schwieriger.

Am Wahlkampf lag es nicht

Strolz versuchte mit seiner unkonventionellen und durchaus schrillen Art im zum Dreikampf zwischen SPÖ, ÖVP und FPÖ stilisierten Wahlkampf nicht unterzugehen. Er sprach fast mantraartig von „Chancen nützen“ und „Flügel heben“ und sorgte durchaus für Unterhaltung in den TV-Duellen. Für ihn waren die dutzenden Fernsehauftritte sicherlich ein Vorteil.

Dennoch mussten die Neos um den Einzug ins Parlament bis zuletzt zittern. Der Erfolg der bürgerlich-liberalen Partei hing nicht unwesentlich von Sebastian Kurz ab. Je weiter der nach rechts zu rücken schien, desto mehr Platz blieb für die Neos. So versuchten sie neue Wählerschichten anzusprechen.Dabei sollte der pinke Joker helfen – namentlich Irmgard Griss. Die Pinken wollten von den 18,9 Prozent, die Griss bei der Bundespräsidentschaftswahl erzielte, mitnaschen. Die einstige Höchstrichterin sollte als Listenzweite im pinken Niemandsland, dem Süden Österreichs, Stimmen holen und zudem Pensionisten ansprechen. Denn die machten bisher einen weiten Bogen um die Neos.

Der pinke Wahlkampf verlief ohne größere Pannen. „Wir hätten es auf keinen Fall besser machen können“, sagt Neos-Mandatar Sepp Schellhorn betont selbstbewusst. Man sei „eben noch eine junge Partei“, merkte auch Griss an. Und der Parteichef selbst blickt schon in die Zukunft. Er will die Partei eben in der nächsten Legislaturperiode „in Richtung Zweistelligkeit führen“. Wie sagte Strolz einst selbst: „Nur Unkraut wächst schnell.“

Der pinke Teilerfolg wird wohl nicht allzu heftig gefeiert werden. Denn schon um neun Uhr am Montag soll es eine Vorstandssitzung geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2017)

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