Oktoberrevolution: Meister der einfachen Lösung

Dass die Oktoberrevolution ihr Jahrhundert geprägt hat, ist unbestritten – doch wer hat sie „gemacht“? Lenin und die Bolschewiki profitierten von der Unterschätzung durch ihre Gegner. Eine Neubewertung der Ereignisse zum 100. Jahrestag.

Die Kombination von Personenkult, Kaltem Krieg und dem Moskauer Quellenmonopol hat unserBild der Oktoberrevolution jahrzehntelang heillos verwirrt. Über die Hagiografien der kommunistischen Hausgeschichtsschreibung mit ihren plumpen Fälschungen lässt es sich leicht spotten, doch hat der Kalte Krieg durchaus ebenbürtige westliche Pendants produziert. Obwohl die Revolution sich nie infrage gestellt hat und durch spitzfindige Klassenanalysen verdeckt hat, dass manche ihrer Exponenten Gauner und Sadisten waren, hat sich seit „Glasnost“ die Sowjetmythologie allmählich aufgelöst – die Verbrechen des Bürgerkriegs, der Kollektivierung, der Moskauer Prozesse und des Gulags gehören heute zum globalen Allgemeinwissen. Die Öffnung der russischen Archive hat eine Historisierung und eine Versachlichung ermöglicht.

Fest steht seit Langem, dass es nicht die Revolution war, die Marx und Engels prognostiziert hatten. Die Basislehre ihres „Historischen Materialismus“, dass die volle Entwicklung der industriellen Produktivkräfte die Voraussetzung für den Untergang des Kapitalismus sei, setzte das industriell unterentwickelte Russland auf die Warteliste. So war es den Theoretikern der Zweiten Internationalen Arbeiterassoziation selbstverständlich, dass die große Transformation in den industriellen Zentren England, Frankreich, Deutschland beginnen und sich allmählich ausweiten würde; in Russland aber stand eine „bürgerliche Revolution“ auf dem Programm, die den anachronistischen Absolutismus der Romanows wegfegen würde.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.