Was ich lese: Herbert Pietschmann

Emeritus der Fakultät Physik an der Universität Wien

Ein Buch, das mir immer wieder Anregung zu eigenen Entwicklungen geliefert hat, ist Konfliktmanagement – Konflikte erkennen, analysieren, lösen von Gerhard Schwarz (Gabler Verlag).

Konflikte gelten in unserer Kultur als Störung, die es möglichst zu vermeiden gilt. Hier lernen wir, dass es auch Konflikte gibt, die Quelle einer Entwicklung werden können und somit für unser Zusammenleben fruchtbar und begrüßenswert sind. Allerdings muss dazu eine Folge von Lösungsversuchen durchlaufen werden: Flucht – Vernichtung – Unterwerfung – Delegation – Kompromiss – Konsens.Diese Folge war – so Gerhard Schwarz – auch wesentlich für die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft als Ganzes; je weiter sie in dieser Folge fortschreiten konnte, umso reifer wurde sie.

Wer kennt nicht seine Gefühle beim Auftreten eines Konflikts? Zunächst versuchen wir, ihn einfach zu verdrängen. Irgendwann wünscht man den Gegner zur Hölle, dann will man ihm sein Unrecht nachweisen und schließlich kann man zum Schluss kommen, am besten einen Schiedsrichter anzurufen. Wer sich direkt dem Gegner stellt, um einen Kompromiss auszuhandeln, ist weit fortgeschritten. Die Höhe ist erreicht, wenn sich der Konfliktgegenstand durch die direkte Konfrontation der Gegner so weit verändert, dass beide ohne Einschränkung zustimmen können. Das heißt dann Konsens.

Nicht jeder Konflikt muss so weit ausgetragen werden, oft genügt eine der unteren Stufen, um ihn auszuräumen. Für mich war diese Einsicht wichtig für meine Wissenschaftstheorie, geht es doch dort um Widersprüche, die sich auch wie Konflikte behandeln lassen. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2010)

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