Je mehr nackte Haut, desto weniger Moral

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Symbolbild. (c) imago/Westend61 (Philipp Nemenz)
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Sozialpsychologie.Werden Frauen deutlicher als Sexobjekte dargestellt, traut man ihnen weniger Verantwortungsgefühl zu. Überraschend: Das bewerten beide Geschlechter in einer eben veröffentlichten Studie gleich.

Sexualisierte Darstellungen von Frauen führen dazu, dass man ihnen einerseits weniger Empathie entgegenbringt, sie aber andererseits auch als weniger empathisch und weniger moralisch wahrnimmt. Das haben drei italienische Wissenschaftlerinnen, Carlotta Cogoni von der International School for Advanced Studies in Triest, Andrea Carnaghi von der Universität Triest und Giorgia Silani von der Universität Wien in einer umfangreichen Studie nachgewiesen, die nun im Fachjournal „Cortex“ veröffentlicht wurde.

„Es hat sich gezeigt, dass sich objektivierte und personalisierte Frauen in unserem Experiment auch in Bezug auf das wahrgenommene Menschsein unterscheiden. Bemerkenswerterweise war die Intensität der Emotionen, die den personalisierten Frauen zugeschrieben wurden, immer ähnlicher den Emotionen, die die Teilnehmer dem eigenen Selbst zuschreiben, im Vergleich zu den objektivierten Frauen“, erklären die Studienautorinnen.

Weniger empathische Gefühle

Die Studie wurde in Udine, im Spital Santa Maria della Misericordia, durchgeführt und dauerte mehrere Monate. Insgesamt nahmen 20 Frauen und 21 Männer teil, das Durchschnittsalter lag bei 23 Jahren. Die Teilnehmer spielten ein computergesteuertes Ballwurfspiel, bei dem sie einmal ein- und ein anderes Mal ausgeschlossen wurden, was positive und negative Emotionen hervorrufen sollte. Gleichzeitig wurde ihre Gehirnaktivität mit funktioneller Magnetresonanztomografie gemessen.

Die Ergebnisse zeigen recht eindeutig, wie leicht sich der Mensch manipulieren und von Äußerlichkeiten beeinflussen lässt. Denn kaum hatten die Wissenschaftlerinnen die Versuchsanordnung leicht geändert – indem sie die Schauspielerinnen ein wenig mehr Haut zeigen ließen – änderten sich die empathischen Gefühle der Studienteilnehmer gegenüber den Frauen.

Bemerkenswerterweise kann eine Reduktion von empathischen Gefühlen auch zu einer Veränderung des Verhaltens Menschen gegenüber führen, was wiederum soziale Interaktionen beeinflussen kann. „So war die Empathie für Frauen, die sexuell objektifiziert dargestellt wurden, geringer im Vergleich zu personifizierten Frauen. Diese Reduktion empathischer Gefühle gegenüber sexuell vergegenständlichten Frauen zeigte sich in verminderter Aktivität jener Hirnareale, die der Empathie zugrunde liegen“, erklärt Studienleiterin Silani. „Diese Ergebnisse stimmen gut mit den bisherigen Befunden überein, die darauf hinweisen, dass die zwischenmenschliche Sensibilität gegenüber sexualisierten Frauen beeinträchtigt ist.“

Interessant ist aber, dass es – entgegen der landläufigen Meinung – keinerlei Bewertungsunterschiede zwischen Männern und Frauen gab. „Die Reaktionen waren die gleichen, sowohl auf der Ebene der subjektiven Empathie als auch bei der Messung der Gehirnareale“, erläutert Silani. Das heißt, Frauen trauen ihren Geschlechtsgenossinnen, so sie leicht bekleidet sind, ebenso weniger Verantwortungsgefühl und Moral zu wie die Männerwelt.

Warum das so ist? „Eine mögliche Erklärung beruht auf der Tatsache, dass sowohl Frauen als auch Männer ähnlichen Rahmenbedingungen auf gesellschaftlicher Ebene ausgesetzt sind und oft die gleichen Stereotypen über Männer und Frauen vertreten und teilen“, heißt es in der Studie. [ Uni Wien ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2018)

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