Sollte Niederösterreichs FPÖ-Kandidat wegen der Affäre um ein NS-Liederbuch der Burschenschaft Germania nicht zurücktreten, "dann hat die FPÖ ein Problem", mahnt der Bundespräsident. FPÖ-Generalsekretär Vilimsky kontert.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen fordert nach dem Nazi-Lieder-Skandal bei der Burschenschaft "Germania zu Wiener Neustadt" den Rücktritt des niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten und langjährigen Germania-Vizeobmannes Udo Landbauer. Tritt er nicht zurück, "dann hat die FPÖ ein Problem", sagt Van der Bellen laut ORF-Online heute, Samstag, im Ö1-"Journal".
Aus der Sicht Van der Bellens beginnt die Rote Linie nicht erst beim Strafrecht: "Ein lächerlich Machen des Massenmords im Zuge des Holocausts, ein lächerlich Machen der Vergasung von Millionen Juden in Auschwitz, ich meine, wo sind wir denn?", so Van der Bellen im Ö1-Interview. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte sich in dieser Causa für volle und rasche Aufklärung ausgesprochen - und gemeint, die Verantwortlichen müssten "die volle Härte des Gesetzes spüren".
Wird ein Burschenschafter zum Verfassungsrichter?
Nicht ausschließen wollte Van der Bellen in dem Interview, dass er einen Burschenschafter zum Verfassungsrichter ernennt. Am VfGH läuft gerade die Nachbesetzung des pensionierten Präsidenten Gerhart Holzinger und zweier Verfassungsrichter - und die FPÖ wird zumindest einen davon davon nominieren.
Der Bundespräsident erinnerte außerdem an den bisher einzigen von der FPÖ vorgeschlagenen Verfassungsrichter, Herbert Haller: Dieser sei ein "guter Jurist und angenehmer Mensch" gewesen. Die jetzige Besetzungsvorschläge werde er sich "mit Sicherheit genau anschauen".
Zuerst Fuchs, dann Bursch, dann Alter Herr – und oft für das Leben gezeichnet. Wer bei einer schlagenden Burschenschaft ist, das verraten häufig Narben an Wange und Scheitel. Es sind die markanten Erinnerungen an gefochtene Mensuren. Dieser Tage sieht man im Parlament viele Abgeordnete, deren Gesichter diese Blessuren prägen. Noch nie war der Anteil an Burschenschaftern bei den FPÖ-Abgeordneten mit knapp 40 Prozent so hoch. Galten sie einst innerhalb der FPÖ als rechter Rand, sind sie wieder Rückgrat der Partei. Eine Übersicht über die FPÖ-Abgeordneten aus Burschen- und Mädelschaften. (c) APA (HERBERT PFARRHOFER)
Der Oberösterreicher Hermann Brückl ist Mitglied der Schärdinger schlagenden Burschenschaft Scardonia. Bevor er 2015 Nationalratsabgeordneter wurde, saß er seit 2010 im Bundesrat. Seit 2002 war er Teil der FPÖ-Landes- und Bundesparteileitung. (c) Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS
Der umstrittene frühere Dritte Parlamentspräsident Martin Graf kehrte 2017 ins Hohe Haus zurück. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands stuft die Burschenschaft Olympia als rechtsextrem ein. (c) APA/ANDREAS PESSENLEHNER (ANDREAS PESSENLEHNER)
Der 37-jährige Niederösterreicher sitzt seit Oktober 2013 im Parlament, davor war er für wenige Monate Mitglied des Bundesrates. Bis 2010 war Christian Hafenecker Pressechef der niederösterreichischen FPÖ, danach wurde er Landtagsabgeordneter in Niederösterreich. (c) Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS
Der 50-jährige Oberösterreicher Roman Haider war in den 1990er-Jahren Bundesobmann der FPÖ-Jugendorganisation RFJ. Seit 2008 ist er Abgeordneter zum Nationalrat. (c) Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS
Christian Höbart (l., mit im Bild Barbara Rosenkranz und Heinz-Christian Strache) aus Mödling ist seit 2013 geschäftsführender Landesparteiobmann der niederösterreichischen FPÖ, 2008 wurde er Abgeordneter zum Nationalrat. Seit 2008 ist er auch Mitglied der Bundesparteileitung der FPÖ. (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
Norbert Hofer, 2016 Bundespräsidentschaftskandidat der FPÖ, ist Ehrenmitglied der Burschenschaft Marko-Germania. Der frühere Dritte Nationalratspräsident ist mittlerweile Verkehrsminister, in seinem Kabinett finden sich fünf Mitglieder von Burschen- bzw. Mädelschaften. (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Seit November 2017 ist Hans-Jörg Jenewein Nationalratsabgeordneter - eine Position, die er schon für wenige Monate 2013 ausgeübt hatte. Der Wiener war davor und danach Mitglied des Bundesrates - insgesamt knapp sieben Jahre. (c) Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS
Axel Kassegger ist seit Oktober 2013 Abgeordneter zum Nationalrat. Kassegger entschied sich 2009, Funktionär in der FPÖ in Graz zu werden, davor war er in den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren im RFS in Graz aktiv. Neben seiner Parlamentstätigkeit ist Kassegger auch Honorarprofessor für Rechnungswesen an der Hochschule Mittweida in Sachsen. (c) Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS
Die Linzerin Anneliese Kitzmüller ist Norbert Hofers Nachfolgerin als Dritte Nationalratspräsidentin. Vier ihrer Mitarbeiter stammen zudem aus Korporationen. Kitzmüller war seit 2008 Nationalratsabgeordnete. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Der 24-jährige Wiener Maximilian Krauss war seit 2015 zum Wiener Landtag und Gemeinderat abgeordnet - wo er für Aufsehen sorgte, als er Vizepräsident des Stadtschulrats werden sollte, aber abgelehnt wurde. Ein kurzes Gastspiel gab er dann im Parlament - von November bis Dezember 2017 -, bis er wieder in die Stadtpolitik zurückkehrte. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
Seit 2013 ist Wendelin Mölzer - Sohn von FPÖ-Politiker Andreas - Nationalratsabgeordneter, seinen Beruf gibt er als "Journalist" an, für "Zur Zeit" nämlich, der als deutschnational geltenden Wochenzeitung, die von seinem Vater herausgegeben wird. Parteipolitisch engagierte sich Mölzer in der FPÖ Kärnten erstmals 2005. (c) Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS
Norbert Nemeth (vorne r.) ist seit 2006 Direktor des FPÖ-Parlamentsklubs und verhandelte in den Regierungsgesprächen mit. Über seine Mitgliedschaft bei der als rechtsextrem geltenden Olympia sagt er, Studienkollegen hätten ihn dazu motiviert. (c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
Der Oberösterreicher Werner Neubauer sitzt seit 2006 im Parlament, 18 Jahre lang war er Gemeinderatsmitglied in Linz. Seit 2005 ist er Vorstandsmitglied der Freiheitlichen Akademie. (c) Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS
Walter Rosenkranz, seit 2008 im Nationalrat, ist seit Dezember 2017 FPÖ-Klubobmann im Parlament. Landesparteiobmann in Niederösterreich ist er geblieben, für die Niederösterreich-Wahl kandidierte er allerdings nicht - Udo Landbauer wurde Spitzenkandidat. (c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
Philipp Schrangl, 32 Jahre alt und Notariatskandidat, ist seit 2013 Abgeordneter zum Nationalrat. Davor war er Mitglied der ÖH-Bundesvertretung und bei der FPÖ-Studentenorganisation RFS aktiv. (c) Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS
Auch Harald Stefan ist bekennendes Mitglied der Olympia - und seit 2008 Abgeordneter zum Nationalrat. Seit 2007 ist er Stellvertreter des Bundesobmanns der FPÖ. Stefan trat im Sommer 2018 aus der Burschenschaft Olympia aus. Der Grund: "Privatsache"; eine dezidierte Abkehr von Burschenschaften sei das aber nicht, meinte Stefan - er bleibe weiterhin Mitglied einer schlagenden Mittelschülerverbindung. (c) Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS
Vizekanzler und FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache selbst ist Mitglied der Schülerverbindung Vandalia. Sein Büroleiter und Generalsekretär für Sport Roland Weinert ist Mitglied der Suevia Innsbruck. Die Presse/Michaela Seidler
Wolfgang Zanger ist seit 2006 Nationalratsabgeordneter, davor war der Steirer hauptberuflich Bankangestellter. Als Funktionär engagierte sich Zanger ab 2002 auf Gemeinde-, später auf Landesebene für die FPÖ. (c) Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS
FPÖ: Die Burschenschafter im Nationalrat
Vilimsky warnt vor "Ruinieren der Überparteilichkeit"
FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky konterte dem Staatsoberhaupt am Samstag umgehend: Van der Bellen "sollte nicht durch Vorverurteilungen die Überparteilichkeit seines Amtes ramponieren." Einen Tag vor der niederösterreichischen Landtagswahl "aus der Hofburg eine Verurteilung vorzunehmen, entspricht nicht dem Stil und der Würde der Funktion des Bundespräsidenten", meinte Vikimsky.
Außerdem habe Landbauer bereits "in einer sehr klaren und glaubwürdigen Form dargelegt, dass er mit jenen Textstellen, die in einem 20 Jahre alten Liederbuch nun ans Licht der Öffentlichkeit gelangt sind, weder etwas zu tun hat noch zu irgendeinem Zeitpunkt davon Kenntnis hatte". Der Bundespräsident "sollte wissen", dass Landbauer elf Jahr alt war, als das Liederbuch publiziert wurde.
Kern: Rückzug aller Burschenschafter aus Regierung
Generell den Rückzug aller Burschenschafter aus Regierungsämtern und Kabinetten forderte unetrdessen der früher Bundeskanzler, SPÖ-Chef Christian Kern. Die ÖVP habe "am Rande der Rechtsradikalität schrammende deutschnationale Burschenschafter" in höchste Staatsfunktionen geholt, kritisierte er gegenüber dem ORF das FPÖ-Regierungsteam.
Auf einen Blick
Wegen des einschlägigen Liederbuchs der Verbindung "Germania zu Wiener Neustadt", der auch der niederösterreichische FPÖ-Spitzenkandidat, Udo Landbauer, angehört, hat nun die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen vier Personen aufgenommen. Im Raum steht der Vorwurf der Wiederbetätigung.
In dem 300 Seiten starken Liederbuch, das die Burschenschaft aufgelegt hat, sind unter anderem diese Zeilen abgedruckt: "Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ,Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million.'" Und an anderer Stelle: "Da schritt in ihre Mitte ein schlitzäugiger Chines': 'Auch wir sind Indogermanen und wollen zur Waffen-SS.'"
Landbauer streitet ab, von dem Lied gewusst zu haben. Seine Mitgliedschaft bei der Burschenschaft stellte er ruhend. Medientermine, wie einen Skikurs im Rahmen seines Niederösterreich-Wahlkampfes, wurden abgesagt.
(Red./APA)
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