Roger Federer: „Das Märchen geht weiter“

Des Maestros 20. Streich: Der Schweizer Roger Federer steht in Melbourne einfach über allem.
Des Maestros 20. Streich: Der Schweizer Roger Federer steht in Melbourne einfach über allem. (c) APA/AFP/WILLIAM WEST
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Der unermüdliche Schweizer, 36, gewinnt seinen historischen 20. Grand-Slam-Titel. Doch die Titelverteidigung in Melbourne hat auch gezeigt: Es fehlen schlichtweg Gegner auf Augenhöhe für den Tennissuperstar.

Wien/Melbourne. Die Zahlen von Roger Federers „zweiter Karriere“ beeindrucken: 64Partien hat er seit Jänner 2017 gespielt, 59 davon gewonnen, bei vier Grand-Slam-Turnieren ist er angetreten, bei drei davon hat er am Ende auch triumphiert, insgesamt hat er sieben Titel geholt. Als Nummer17 der Welt kehrte er vor einem Jahr auf die Tour zurück, längst ist der 36-Jährige wieder die Nummer zwei, und nun, nachdem er in Melbourne mit einem Finalerfolg über Marin Čilić (6:2, 6:7 [5], 6:3, 3:6, 6:1) seinen insgesamt 20. Major-Titel gefeiert hat, fehlen ihm auf die Nummer eins, Rafael Nadal, nur noch 155 Punkte.

Doch Federers 20.Major-Erfolg und die souveräne Art und Weise, wie er in Melbourne eingefahren wurde, haben auch gezeigt: Wirklich gefährliche Konkurrenz hat der Schweizer derzeit nicht zu fürchten. Seine größten Widersacher Rafael Nadal, Novak Djoković und Andy Murray sind verletzt, Alexander Zverev scheitert bei Grand Slams regelmäßig am selbst auferlegten Druck, Grigor Dimitrow fehlt es noch immer an der Konstanz, und Dominic Thiem muss sich auch gegen vermeintliche und groß aufspielende Außenseiter wie Tennys Sandgren behaupten, ehe es überhaupt zu den ganz großen Duellen kommt. Schon das sechste Grand-Slam-Turnier in Folge wurde nun von einem über 30-jährigen Profi gewonnen (2016 gewann der damals 29-jährige Murray in Wimbledon). Ein Generationenwechsel sieht anders aus. Federer hält nun schon bei vier Major-Titeln als über 30-Jähriger.

Es rattert im Kopf

Sein Melbourne-Finalgegner Čilić, ab heute die neue Nummer drei der Weltrangliste, in Australien aber längst nicht in der Überform von 2014, als er zum US-Open-Titel marschiert ist und dabei auch Federer chancenlos zurückgelassen hat, hat dem Schweizer zumindest zwei und damit die beiden einzigen Sätze im ganzen Turnier abgetrotzt. „Am Ende des zweiten Satzes wurde ich nervös“, gab Federer zu. „Das war der Grund, warum ich den zweiten Satz verloren habe und nicht die Kontrolle übernehmen konnte.“ Überhaupt sei er vor seinem 30. Grand-Slam-Endspiel schon den ganzen Tag sehr angespannt gewesen, erzählte Federer: „Ich habe konstant daran gedacht: ,Ich könnte die 20 erreichen.‘“ Im fünften Durchgang des nur selten hochklassigen Endspiels aber fand er unter dem wegen Hitze geschlossenen Dach der Rod Laver Arena, ein Hexenkessel mit knapp 15.000 Zuschauern, wieder zu alter Stärke. „Es hätten die beiden besten Wochen meines Lebens werden können“, meinte Verlierer Čilić, im direkten Duell mit Federer 1:9 zurück. „Ich hatte eine kleine Chance, aber Roger hat einen großartigen fünften Satz gespielt.“

Den Tränen nahe meinte Federer auch in Richtung seines Teams, seiner Familie: „Das Märchen geht weiter, für uns, für mich, es ist unglaublich.“ Aber was sind seine Ziele nach diesem historischen Triumph? Noch mehr große Titel, gar Olympia 2020? Oder die Rückkehr an die Spitze der Weltrangliste? Zuletzt stand er dort am 4. November2012, ehe eine fast fünfjährige Major-Durststrecke folgte, dazu die Zwangspause wegen einer Knieverletzung, zugezogen beim Baden mit den Kindern. Sein Comeback samt Australian-Open- und Wimbledon-Titel 2017 war noch eine Sensation - die Titelverteidigung 2018 in Melbourne keine Überraschung mehr.

Auch die Jubelpose nicht (stehend, Arme in der Luft). Der Schweizer „Sonntagsblick“ hatte für alle Grand-Slam-Titel des Baslers aufgelistet, wie er nach dem verwandelten Matchball reagierte. Zwölfmal und damit am häufigsten fiel er auf die Knie. Seit 2017 jubelt Federer nur noch stehend.

FINALE AUSTRALIAN OPEN

Federer–Čilić: 6:2, 6:7 (5), 6:3, 3:6, 6:1.

Asse: 24:16, erste Aufschläge im Feld: 60:62%, schnellster Service: 207:214 km/h, Breakchancen verwandelt: 6 von 13, 2 von 9, Netzangriffe verwandelt: 14 von 18, 14 von 19, Winner: 41:45, unerzwungene Fehler: 40:64, Punkte: 152:128.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2018)

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