Der suspendierte Direktor des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung will alles tun, um die Vorwürfe gegen seine Person zu entkräften. Kanzler Kurz und Vizekanzler Strache bezogen Stellung.
Der suspendierte Leiter des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Peter Gridling ist "sich keiner Schuld bewusst". In der "Tiroler Tageszeitung" kündigte er an, alles zu tun, um die Vorwürfe gegen seine Person zu entkräften.
"Es ist mein gutes Recht, mich zu wehren. Das werde ich auch tun", wird Gridling auf "tt.com" zitiert. Er hat seinen Anwalt beauftragt aktiv zu werden. Bis heute wisse er nicht, was ihm konkret vorgeworfen werde. Befragt zur Hausdurchsuchung und zum Schaden für das Bundesamt will Gridling vorerst nichts sagen. Er befindet nur, dass ihm vieles "suspekt" vorkomme.
Eine Geheimdienstaffäre erschüttert seit Tagen die heimische Innenpolitik. Im Zentrum steht das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Mitarbeitern dieses Inlandsgeheimdienstes werden Amtsmissbrauch und Datenvergehen vorgeworfen. Die Frage, ob es sich bei der Causa BVT um Korruption und Unrechtmäßigkeiten oder um einen Machtkampf und Umfärbung handelt, ist dabei offen. DiePresse.com/APA/Die Presse
Der bisherige und inzwischen vom Dienst suspendierte BVT-Leiter Peter Gridling steht im Mittelpunkt der BVT-Affäre. Der ehemalige Gendarm, Staatspolizist und Terrorismusbekämpfer wurde 2008 unter ÖVP-Innenminister Günther Platter zum Leiter des BVT bestellt. In der als Schlangengrube verrufenen Behörde war Gridling zuletzt Chef über 309 Bedienstete. Im vergangenen Jahr tauchten anonyme Dossiers beziehungsweise Anzeigen gegen Gridling, seinen inzwischen ausgeschiedenen Stellvertreter und eine Reihe weiterer BVT-Mitarbeiter auf. Die Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) nahm gegen Gridling und andere schließlich Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs und Datenvergehen auf. Die Beschuldigten wiesen die Vorwürfe zurück. Einer breiteren Bevölkerung ist der 60-jährige Gridling von diversen TV-Auftritten nach Terroranschlägen bekannt, wenn es darum ging, die aktuelle Terrorbedrohungslage in Österreich einzuschätzen. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Bei FPÖ-Innenminister Herbert Kickl liegt die politische Verantwortung für die Vorgänge beim Inlandsgeheimdienst und den obersten Verfassungsschützern. Kritiker werfen Kickl in der Causa vor, nur nach einem Vorwand für die Ablöse Gridlings gesucht zu haben, um das BVT von Schwarz auf Blau umfärben zu können und so etwaige unliebsame Ermittlungen gegen FPÖ-nahe Rechtsextreme oder Burschenschafter besser unter Kontrolle zu haben. Kickl selbst weist diese Vorwürfe zurück und spricht von normalen rechtlichen Vorgängen und dienstrechtlichen Konsequenzen. Dies sei keine Umfärbung, keine Intrige, kein Machtkampf, keine Staatskrise, so der Innenminister und FPÖ-Vordenker. Experten gehen unterdessen bereits davon aus, dass im Geheimdienst nach der BVT-Affäre kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Innenminister Kickl lässt derzeit evaluieren, ob der Verfassungsschutz neu aufgestellt werden muss. Am Montag wird sich der Innenminister in einer Sondersitzung des Nationalrats zu dieser Causa der Opposition stellen müssen. Das Ministerium verlassen hat dieser Tage im Übrigen der langjährige frühere Kabinettschef und Leiter der Präsidialsektion Michael Kloibmüller. (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Peter Goldgruber ist als Generalsekretär im Innenministerium die rechte Hand von Innenminister Herbert Kickl. Der langjährige FPÖ-nahe Exekutivbeamte - zuletzt war er Vorstand des Büros für Qualitätssicherung in der Bundespolizeidirektion Wien - soll die jüngsten Hausdurchsuchungen bei verschiedenen BVT-Beamten mit einer Anzeige gegen Gridling und andere BVT-Mitarbeiter ins Rollen gebracht haben Im Ministerium weist man eine Anzeige freilich zurück, man habe lediglich einen "Konnex" zur Staatsanwaltschaft hergestellt. Goldgruber selbst nannte Medienberichte zur Hausdurchsuchung im Inlandsgeheimdienst "Fake News". Dass sich das Innenministerium "durch eine von einem FPÖ-Mitglied geführte Einheit Zugang zu Rechtsextremismus-Daten" verschaffen habe wollen, wies Goldgruber als "medial konstruierte Geschichte" zurück. Die Hausdurchsuchungen seien von Staatsanwälten geleitet worden. Die Daten lägen bei der WKStA und würden von dieser ausgewertet. (c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)
Wolfgang Preiszler (1. v. links): Der Leiter der Wiener Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) hatte am 28. Februar die Hausdurchsuchungen in der Zentrale des BVT in Wien-Landstraße sowie bei mehreren BVT-Mitarbeitern in einer Art Geheimoperation angeführt. Politisch pikant ist dies deshalb, weil Preiszler auch als blauer Gewerkschafter und FPÖ-Gemeinderat im niederösterreichischen Guntramsdorf tätig ist und bei der Aktion auch Unterlagen des Extremismus-Referats beschlagnahmt worden sein sollen, das sich auch mit FPÖ-nahen Milieus wie Neonazis, Rechtsextremen, Identitären oder Burschenschaftern beschäftigt. Das Extremismus-Referat hat mit den ursprünglichen Anschuldigungen gegen diverse BVT-Mitarbeiter aber gar nichts zu tun.
Der Generalsekretär und Leiter der Strafrechtssektion des Justizministeriums kontrolliert als verlängerter Arm des Justizministers die verschiedenen Staatsanwaltschaften und Oberstaatsanwaltschaften sowie die WKStA. Dass das Justizministerium und Christian Pilnacek über die Hausdurchsuchungen beim Inlandsgeheimdienst erst nachträglich informiert wurden, bezeichnen Experten als eher ungewöhnlich. Pilnacek selbst versuchte diesen Umstand herunterzuspielen und meinte, dass die Staatsanwaltschaft seit 2016 einzelne Ermittlungsschritte nicht mehr im Vorhinein genehmigen lassen, sondern nur im Nachhinein über "bedeutende Verfahrensschritte" berichten muss. Pilnacek dementierte darüber hinaus zunächst, dass bei der Hausdurchsuchung auch Unterlagen über Extremismus-Ermittlungen des Verfassungsschutzes beschlagnahmt wurden, später sprach er von "weiteren Sicherstellungen". In einem von Medien veröffentlichten Sicherstellungsprotokoll wurden beschlagnahmte Daten des Extremismus-Referats angeführt. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Der von der ÖVP nominierte Justizminister Josef Moser trägt die politische Verantwortung für die Aktivitäten der Staatsanwaltschaft. Der frühere Rechnungshofpräsident trat in den ersten Monaten in der Regierung freilich weniger als Justizminister in Erscheinung, sondern inszenierte sich mehr als Minister für Staatsreformen und Deregulierung. In der Causa BVT hat sich Moser bisher nicht wirklich geäußert. Der Justizminister hatte vergangene Woche die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft beauftragt, bis Anfang dieser Woche darzustellen, warum beim BVT Hausdurchsuchungen durchgeführt wurden und ob das Verhältnismäßigkeitsprinzip eingehalten worden sei. Seit Montag liegt der angeforderte Bericht vor und wird derzeit noch im Rahmen der Fachaufsicht geprüft. Am Mittwoch will Moser in einer Pressekonferenz erstmals zu der politisch heiklen Angelegenheit Stellung nehmen. (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Was Gridling genau vorgeworfen wird, ist unbekannt. Kolportiert wird, dass die Erhebungen mit einer angeblich nicht erfolgten Löschung von Daten des Wiener Rechtsanwalts Gabriel Lansky durch das BVT zusammenhängen.
Neuer Schwung durch Innenministerium
Justizminister Josef Moser (ÖVP) gab am Mittwoch an, dass gegen fünf Beamte des BVT wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs und der Verletzungs des Amtsgeheimnisses ermittelt werde. Das Innenministerium dürfte im Jänner zudem neuen Schwung in die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gebracht haben, geht aus Mosers Schilderungen und jenen seines Generalsekretärs Christian Pilnacek hervor.
Der neue Generalsekretär im Innenministerium, Peter Goldgruber, habe im Jänner 2018 selber der Staatsanwaltschaft ein neues, umfassenderes Konvolut mit Vorwürfen gegen BVT-Beamte vorgelegt. Ein erstes Konvolut war im Juli 2017 zur Staatsanwaltschaft gelangt.
Die Razzien beim BVT im Februar 2018 seien allerdings nicht durch die Konvolute ausgelöst worden, meinten Moser und Pilnacek, sondern durch Zeugenaussagen. Auch hier hatte das Innenministerium offenbar die Hand im Spiel: Zwei Zeugen brachten Kabinettsmitarbeiter Kickls als "Vertrauenspersonen" mit zum Gespräch mit der Staatsanwaltschaft.
Danach gab es zwei weitere Zeugenaussagen, der letzte - vierte - Zeuge habe schließlich ausgelöst, dass Gridling zum Beschuldigten wurde.
Strache: "Erschreckend, dass es Verdachtsmomente gibt"
Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) sagte am Mittwoch nach dem Ministerrat, die Angelegenheit habe "nichts mit dem Innenministerium zu tun". Es handle sich rein um eine "Sache der Justiz". Die einzige Aufgabe, die dem Innenministerium in der Causa zugefallen sei, sei der Polizeieinsatz bei den Razzien gewesen.
Strache, der zuletzt wegen seiner Aussagen über das BVT für Aufsehen auch bei Parteifreund Kickl gesorgt hatte, bezog dazu erneut Stellung: Er habe keinen Generalverdacht ausgesprochen, sondern festgehalten, "dass es Verdachtsmomente gibt". Es sei "erschreckend, dass es Verdachtsmomente gibt" - "das ist nicht das, was wir uns wünschen", sagte der FPÖ-Parteichef.
Er bekräftigte, dass es keine Pläne gebe, das BVT etwa mit dem Heeresnachrichtenamt oder dem Heeresabwehramt zu verschmelzen.
Kurz: "Sehr beunruhigt"
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sagte an selber Stelle, es gebe zwei Möglichkeiten, wie die Causa um das BVT nun fortschreiten könne: "Es kann natürlich zu Verurteilungen kommen." Wenn sich allerdings die Vorwürfe als nicht richtig herausstellen würden, sollten "diese Personen selbstverständlich" ihren Dienst fortsetzen können.
Er kenne Peter Gridling persönlich und hoffe deswegen, "dass es eine rasche Aufklärung" geben werde: "Wie es ausgehen wird, liegt Gott sei Dank nicht bei der Politik."
Kurz sagte, er sei "sehr schockiert" gewesen, als die Nachrichten über die Razzien beim BVT vergangene Woche die Runde machten. Er sei "sehr froh" gewesen, dass sich bald darauf die "Spekulationen als falsch" herausgestellt hätten: Es habe viele Punkte gegeben, die den Kanzler "sehr beunruhigt" hätten. Die Regierungsspitze gab an, erst nach der Hausdurchsuchung über die Vorgänge informiert worden zu sein.
Der Nationale Sicherheitsrat, einberufen von den Neos, tagt übrigens am 19. März - auch hier werden Kanzler, Innen- und Justizminister Stellung nehmen. Allerdings ist das Gremium ein vertrauliches. Ebenfalls am Montag findet eine Sondersitzung im Nationalrat zum BVT statt.
(APA/epos)
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