20 Jahre Frauen beim Heer: "Halten Sie Distanz zu Männern"

Soldatinnen der Towarek Heeresunteroffiziersakademie++ 20 JAHRE FRAUEN BEIM BUNDESHEER
Soldatinnen der Towarek Heeresunteroffiziersakademie++ 20 JAHRE FRAUEN BEIM BUNDESHEERAPA/HANS PUNZ
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Am 1. April 1998 rückten die ersten Soldatinnen beim steirischen Jägerregiment 5 ein. Ein eigener Knigge für "weibliche Rekruten" wurde aufgelegt, Kleidung passend gemacht - und mittlerweile auch eine Kinderbetreuung eingeführt.

Das österreichische Bundesheer hat vor zwanzig Jahre seine Tore auch für Frauen geöffnet. Am 1. April 1998 rückten die ersten Soldatinnen beim steirischen Jägerregiment 5 ein. Das Bundesheer hatte sich gründlich auf die ersten weiblichen Soldaten vorbereitet. Es wurden in der betroffenen Kaserne in Straß ausländische Experten zugezogen, ein eigener Verhaltenskodex erlassen sowie psychologische, soziologische und sonstige Fragen ausführlich behandelt.

Große Sorgen machte man sich über die Gefahr der sexuellen Belästigung. Die Soldatinnen wurden daher angehalten, Distanz zu Männern zu halten. Man machte sich aber auch Gedanken darüber, ob die Kraft im Zeigefinger der Frauen ausreichen würde, um das Sturmgewehr 77 abzufeuern.

"Knigge für weibliche Rekruten"

Anlässlich des Einrückens der ersten Soldatinnen hat der damalige Kasernen-Kommandant, Josef Paul Puntigam, ein "Knigge für weibliche Rekruten", unterzeichnet. Darin wurden die Soldatinnen aufgefordert, "ordentlich und gepflegt" aufzutreten, zu "Männern in der Dienstzeit die notwendige Distanz zu halten" und sich "auf keine Abenteuer einzulassen". Männerbesuche im Zimmer der Soldatinnen sowie Soldatinnenbesuche in Zimmern der Männer waren verboten.

Vorgesetzte und Ranghöhere sowie männliche Rekruten durften sich den Frauen "nicht mehr als drei Schritte nähern". "Nachfeiern" und Besprechungen durften nur im Soldatenheim oder in einem öffentlichen Lokal stattfinden. "Ihre Intimsphäre ist uns heilig", hieß es in dem Papier. "Sexuelle Belästigungen werden unverzüglich disziplinär bzw. strafrechtlichen geahndet."

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Den männlichen Ausbildnern wurde in einem "Grundsatzbefehl für die Ausbildung und Integration von Frauen im Jägerregiment 5" geraten, bei einem dienstlichen Aufenthalt in der Frauenunterkunft die Tür offen zu lassen. Männliche Ausbildner durften auch nicht alleine in die Unterkünfte der Frauen gehen.

In diesem Grundsatzbefehl wurden zudem "psychologische Aspekte", die unterschiedlichen Kommunikationsverhalten von Frauen und Männern sowie "militärsoziologische Fragen" beleuchtet. Darin hieß es etwa, dass Frauen bei Gesprächen "den direkten Blickkontakt suchen" und diesen als "sehr angenehm empfinden", während Männer den direkten Blickkontakt "meist als bedrohlich und konkurrenzierend" erleben.

Es wurde weiters angeregt, Frauen nicht nach den gleichen Methoden auszubilden wie Männer. "Besonders wenn sie erschöpft und gereizt sind, muss der Ausbildner freundlich bleiben, wenn er sie zu weiteren Leistungen anspornen will." Es wurde empfohlen, bei der Ausbildung "beispielhaftes Verhalten" einzusetzen, denn "Frauen erheben häufiger Widerspruch, sie stellen öfter 'Warum'-Fragen. Vor allem in der Formalausbildung wird die Sinnhaftigkeit von Maßnahmen häufig hinterfragt". "Freude und Frust äußern sich bei Männern und Frauen verschieden. Während Männer gerne 'einen heben', können Frauen zum Schluchzen (sic!) beginnen." Kommandanten werden davor gewarnt, dem "Beschützersyndrom" gegenüber Soldatinnen zu verfallen.

Kunasek: "Habe selbst zielstrebige Frauen ausgebildet"

Hat man sich beim Bundesheer vor zwanzig Jahren, als die ersten Soldatinnen eingerückt sind, noch Gedanken über die erforderliche körperliche Distanz zwischen Frauen und Männern gemacht, ist man heute schon weiter. Mittlerweile beschäftigt sich das Heer mit Themen wie Vereinbarung von Familie und Beruf sowie Work-Life-Balance (siehe Infobox unten).

Für Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) sind die vergangenen 20 Jahre jedenfalls eine "Erfolgsgeschichte". "Heute gehören Soldatinnen zum Berufsalltag im Bundesheer. Ich habe selbst als Gruppenkommandant junge zielstrebige Frauen ausgebildet und kenne die Leistungsbereitschaft unserer Soldatinnen." Das Bundesheer biete Frauen eine interessante berufliche Perspektive. "Dabei gibt es keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Es gibt gleiche Chancen und gleiche Bezahlung. Für die Besten stehen alle Karrierepfade offen."

Kinderbetreuung und Kleiderwahl

2002 wurde im Bundesheer mit der Aufstellung des Kommandos Internationale Einsätze (KdoIE) ein eigenes Referat Familienbetreuung für die Betreuung der Angehörigen von Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz nach internationalem Vorbild eingerichtet. Seit 2010 wird temporäre Kinderbetreuung in den Sommerferien geboten. Jährlich werden rund 450 Kinder in sechs Bundesländern, an 14 Standorten und in rund 20 Gruppen betreut.

Bei der Kleidung wurde insgesamt auf Frauen-Modelle ausgeweitet, so gibt es eigene Feldhosen und Feldhemden für Frauen. Bei den Kampfanzügen sowie bei den Feld- und Kampfschuhen wurden kleinere Größen eingeführt. Für gesellschaftliche Anlässe gibt es eine Spencerjacke und ein Abendkleid.

(APA/Red.)

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