„Bestandskunden schützen“

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Symbolbild. (c) Marin Goleminov
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Das ewige Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungen ist den Versicherungen ein Dorn im Auge. Sie wollen Rechtssicherheit.

Wien. Über den heimischen Lebensversicherern hängt ein Damoklesschwert: jenes des unbefristeten Rücktritts bei Lebensversicherungen. Die Branche ist deshalb seit Längerem in Aufruhr – und dringend daran interessiert, ein neues Regelwerk auf den Weg zu bringen.

In den vergangenen Monaten sollte es bereits zu einer Gesetzesänderung kommen. Doch zwei Anläufe scheiterten, auch weil Konsumentenschützer Sturm liefen. Ihnen missfiel, dass das ewige Rücktrittsrecht hätte gekippt werden sollen. Die angedachte Wirkung in die Vergangenheit hinein wurde von Juristen als verfassungswidrig kritisiert. Nun soll es bis Mai, Juni dieses Jahres eine Lösung geben. „Wir arbeiten an einer praxisgerechten Regelung im Sinne aller Beteiligten“, sagte FPÖ-Konsumentenschutzsprecher Peter Wurm kürzlich.

Das Gesetz hätte fünf verschiedene Rücktrittsrechte vereinheitlichen sollen. Das ist nach wie vor das Ziel – zumindest in Zukunft wollen die Versicherer nun Rechtssicherheit sehen.

„Derzeit ist es so, dass wir in Österreich einen Wildwuchs an Rücktrittsrechten haben“, sagt Manfred Rapf, Sprecher der Sparte Lebensversicherung im Versicherungsverband. Es gebe daher die Notwendigkeit, mehr Transparenz zu schaffen. Statt die Konsumenten mit einer ganzen Seite an Kleingedrucktem aufzuklären, soll den Plänen der Versicherer zufolge nun bereits ein Viertel davon ausreichen. „Das kann nur im Kundeninteresse sein“, so Rapf.

Kleine Prozesslawine

Den Stein ins Rollen brachte ein Urteil des EuGH im Jahr 2013. Zwei Jahre später folgte der Oberste Gerichtshof in Österreich. Damals ging es um einen Versicherungsnehmer, der 2006 eine fondsgebundene Lebensversicherung abschloss. Ihm wurde eine Rücktrittsfrist von 14 Tagen gewährt. Doch die gesetzliche Frist lag damals bereits bei 30 Tagen. Ein Fehler, der ein unbefristetes Rücktrittsrecht für den Kunden nach sich zog. Die Versicherung musste die einbezahlten Prämien an den Versicherungsnehmer rückerstatten.

Das setzte hierzulande eine kleine Prozesslawine in Gang und sorgt seither für Unsicherheit in der Branche. Denn ein Kunde kann bei falscher Belehrung auch dann vom Vertrag zurücktreten, wenn dieser bereits ausbezahlt wurde. Rapf ist der Ansicht, dass aus dem ewigen Rücktrittsrecht vielfach ein Geschäftsmodell gemacht werde. Tatsächlich aber gebe es zahlreiche Urteile aus erster und zweiter Instanz, die zugunsten der Beklagten (also der Versicherungen) ausgegangen sind. Das werde häufig nicht kommuniziert „und kann auch nicht im Sinne des Konsumenten sein“.

Vielfach bekamen in der Vergangenheit aber auch die Kläger recht. Im Herbst des Vorjahres konnte der Verein für Konsumenteninformation (VKI) beispielsweise einen Vergleich mit der Branche aushandeln, sie betraf immerhin 7000 Teilnehmer einer Sammel-aktion. Ein „namhafter Betrag in zweistelliger Millionenhöhe“ wurde seitens der Versicherer dafür aufgewendet. Die Betroffenen erhielten in der Regel mehr als die einbezahlten Prämien zurück.

Etwas, das in der Debatte laut Rapf gern vergessen werde: Diejenigen, die ihre bestehenden Verträge brav weiterzahlen, könnten künftig geschädigt werden. Nämlich dann, wenn sie eine geringere Gewinnbeteiligung erhalten. Bei dieser zahlen die Versicherer ihren Kunden erzielte Überschüsse zusätzlich zu bereits garantierten Leistungen aus. Dass es berechtigte Einzelfälle gebe, bestreitet er nicht. Aber: „Wir müssen auch diejenigen schützen, die vertragstreu sind und nicht wegen eines Formfehlers spekulieren wollen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2018)

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